Same procedure as every day… Der Wecker klingelt, man wälzt sich aus dem Bett und startet die alltägliche Morgenroutine. Damit man nicht versehentlich im frühmorgendlichen Halbschlaf ins Leere kämmt oder sich versehentlich mit der Zahnbürste ein Auge aussticht, vollführt man diese Verrichtungen vor einem Spiegel. Das Spiegelbild macht ja das Gleiche wie man selbst. Doch halt ! Irgendwas ist hier verkehrt… Ganz das Gleiche ist es nicht: Das Spiegelbild, der Schelm, hält die Zahnbürste in der anderen Hand !
Logischerweise befindet sich in der Welt hinter dem Spiegel alles gegenüber dem ungespiegelten Original: Die Hände mit der Zahnbürste sind augenscheinlich erst mal auf der selben Seite. Doch stellen wir uns vor, dass uns das Spiegelbild durch eine Scheibe anguckt und versetzen uns einmal in seine Rolle, dann hält es die Zahnbürste von seinem Standpunkt aus nicht in der linken, sondern in der Rechten Hand.
Es stellt sich die Frage: Warum vertauscht der Spiegel Rechts und Links, aber nicht Oben und Unten ? Eine Frage, die das sogenannte Spiegelparadoxon aufzeigt.
Wie lässt sich das Ganze erklären ? Nun, wir haben hier kein physikalisches Problem, sondern ein psychologisches. Der Spiegel vertauscht nicht wirklich, er reflektiert. Erst durch die Interpretation des von uns wahrgenommenen Bildes, gewinnen wir den Eindruck der Vertauschung. Bezugspunkt ist dabei die allgegenwärtige Schwerkraft, die den Zusammenhang von Oben und Unten vorgibt. Weswegen wir unterbewusst, wenn wir uns in das Spiegelbild hinein versetzen von einer 180 Grad Drehung um die senkrechte Achse ausgehen. Dies wäre der intuitive Weg „hinter den Spiegel“ zu kommen: Indem wir einfach um die Scheibe herum laufen. Wenden wir uns hingegen aber einfach um und schauen uns eine Person an, die direkt hinter uns steht und uns über die Schulter in den Spiegel blickt, dann sehen wir deren linke Hand natürlich zu unserer Rechten.
Hinten ist Vorne, und Vorne ist Hinten…
Zeigen wir mit dem Finger in eine Richtung (oben/unten, rechts/links) deutet das Spiegelbild in die selbe Richtung. Das es dabei die andere Hand benutzt ignorieren wir mal. Deuten wir jedoch mit unserem Finger in Richtung des Spiegels (also senkrecht zur Spiegelebene), dann weist das Spiegelbild in die entgegengesetzte Richtung. Vorne und Hinten sind also vertauscht.
Hieraus resultiert auch, dass ein Kreisel und sein Spiegelbild sich in gegenläufige Richtungen bewegen. Der Spiegel vertauscht also auch den Drehsinn.
Der Drehsinn der Natur
Nun könnte man dies als nette Denksportaufgabe für Geometriefreaks abhaken, jedoch besitzt das Ganze weitreichende Bedeutung für uns alle: Angefangen vom Hobby-Heimwerker bis hin zur Pharmazie und zu biologischen Prozessen.
In einer idealen Welt wäre alles symmetrisch. Im Spiegel wären Bild und Spiegelbild identisch. Kompliziert wird es, wenn wir asymmetrische Dinge betrachten. Nehmen wir z.B. unsere Hände: Links ist wo der Daumen rechts ist, Rechts dort wo der Daumen links ist. Eine Hand ist spiegelbildlich zur anderen. Greifen wir nach einem runden (symmetrischen) Türknauf, ist es egal mit welcher Hand wir zulangen. Beide können ihn gleichermaßen gut packen. Versuchen wir jedoch einem Mitmenschen die Hand zu schütteln, gelingt dies nur, wenn er uns die selbe Hand reicht: Links zu Links, Rechts zu Rechts. Ergo: Würden wir versuchen unserem Spiegel-Ich die Hand zu reichen, würde dies nicht gelingen, weil die entgegen gestreckten Hände nicht ineinander passen würden (Links ≠ Rechts). Aufgrund des sehr anschaulichen Beispiels mit den Händen, spricht man von diesem Phänomen, wenn Bild und Spiegelbild aufgrund ihres vertauschten Drehsinns nicht deckungsgleich sind, von Chiralität (griechisch χείρ cheir, Hand).
Ein anderes Beispiel ? Schrauben. Diese besitzen ein Gewinde mit einem bestimmten Drehsinn. In ein simples Loch lassen sich alle Schrauben drehen, unabhängig von ihrem Gewinde. Besitzt das Loch jedoch selbst ein Gewinde, passt dort nur eine Schraube mit einem passenden Drehsinn.
Dieser Effekt tritt z.B. bei Molekülen auf, wenn an einem Kohlenstoff vier unterschiedliche Substituenten gebunden sind. Wie eine Schraube können sie in zwei unterschiedlichen Formen (Enantiomeren) auftreten. Ein besonders relevantes Beispiel aus der Natur: Aminosäuren.
Besonders relevant deswegen, weil alle Organismen in der Natur zu einem großen Teil aus Proteinen bestehen, welche wiederum aus Aminosäuren aufgebaut sind. Und eben weil die Aminosäuren mit einem bestimmten Drehsinn auftreten, tragen sie zu einem bestimmten räumlichen Aufbau unserer Proteine bei. Dies führt wiederum dazu, dass bestimmte Proteine wie z.B. Rezeptoren oder Enzyme bevorzugt mit einem bestimmten Enantiomer ihres Zielmoleküls interagieren. Das bedeutet, dass verschiedene Enantiomere eine unterschiedliche biologische Wirkung haben können, wie z.B. einen unterschiedlichen Geschmack, Geruch oder pharmazeutische Wirkung. Ein interessantes Beispiel ist z.B. Carvon, dessen (S)-Enantiomer nach Kümmel und dessen (R)-Enantiomer nach (Krause)Minze riecht.
Während nun dieser Effekt beim Carvon eher eine Frage des persönlichen Geschmacks ist, gibt es Bereiche wie die Entwicklung von pharmazeutischen Wirkstoffen, bei denen ein solcher Unterschied zwischen Enantiomeren durchaus bedeutsam sein kann.
Enantiomere in der Pharmazie
Die meisten chemischen Reaktionen sind ziemlich unselektiv, was Enantiomere angeht. Beide Formen des Zielmoleküls fallen in Form eines 1:1 Gemischs (Racemat) an.
Da sich Wirkstoff und Rezeptor durch ihre dreidimensionale Struktur wie Schlüssel und Schloss zu einander verhalten, ist es also nicht verwunderlich, dass ein Enantiomer (das sog. Eutomer) eine deutlich stärkere Wirkung hervorruft, als das andere Enantiomer (das sog. Distomer). Im einfachsten Fall bedeutet dies, dass ein solches Racemat ein um 50% verdünnter Wirkstoff ist: 10 mg Racemat entsprechen 5 mg reinem Wirkstoff.
Doch gilt es nicht nur die gewünschte Wirkung zu betrachten: Das Distomer kann trotzdem sehr wohl noch Nebenwirkungen auslösen (oder einen gänzlich anderen Rezeptor ansprechen). Es kann also zutreffender sein bei einem Racemat nicht von Verdünnung, sondern von 50% Verunreinigung zu sprechen !
Es gehört daher heutzutage zum Pflichtprogramm bei der Wirkstoffentwicklung sich alle stereoisomere des Pharmazeutikums getrennt auf ihre Eigenschaften zu untersuchen. Die zusätzliche Mühe ein enantiomerenreines Präparat auf den Markt zu bringen kann sich auch lohnen, denn eine besser wirksame oder besser verträgliche Form eines Medikaments (im Vergleich zum Racemat) lässt sich zusätzlich patentieren !
Lange Rede, kurzer Sinn: Auch wenn uns das Spiegelbild im ersten Anschein bis aufs Haar gleicht, so kann es dennoch es faustdick hinter den Ohren haben !
Der spanische Philosoph Miguel de Unamuno y Jugo hat einmal gesagt: „In jedem Ende liegt auch ein neuer Anfang!“Vermutlich ist auch dieser Gedanke Auslöser dafür, dass viele Leute der Silvesternacht und dem Neujahrstag eine solche Bedeutung zumessen. Eine geradezu magische Nacht. Es wird mit dem alten Jahr abgerechnet, die schlechten Dinge (und bösen Geister) sollen im alten Jahr bleiben, während Glück und Wohlstand für das neue Jahr heraufbeschworen werden sollen. Kein Wunder also, dass sich hier allerhand Hocus Pocus eingebürgert hat.
Gut gerutscht ist halb gewonnen
Beginnen wir also, streng chronologisch, mit der Zeit zwischen Weihnachten und Silvester. So gehört es zum guten Ton allen Freunden, Bekannten und Verwandten (oft auch schon in Verbindung mit den Weihnachtsgrüßen, sofern man sich vor Jahreswechsel nicht mehr sehen sollte) einen guten Rutsch ins neue Jahr zu wünschen. Nun findet Silvester ja (auf der Nordhalbkugel zumindest) im Winter statt, da kann es schon mal Glatteis geben; da ist ja bekanntlich gut Rutschen. Doch auch nicht schlimm, wenn der Frost ausbleibt. Denn mit Rutschen hat der Gruß nichts zu tun, der aus dem Jiddischen kommt und eigentlich „Gut Rosch“ lautet, was soviel wie guten Anfang bedeutet. Also ganz ähnlich wie „Prosit Neujahr“, was den lateinischen Wunsch, das es gelingen oder nützen möge beinhaltet.
Ruhetag in der Waschküche
An Silvester nehmen viele Urlaub oder sind noch immer in der Weihnachtspause. Doch nicht nur beruflich, sondern auch im Haushalt tut man gut daran, es ruhig angehen zu lassen: Altem Aberglaube zu folge bringt es Unglück am letzten Tag des Jahres die Wäsche zu waschen. Denn zwischen den Jahren und ganz besonders in der Silvesternacht, die ja bekanntlich die Nacht der Geister ist, herrscht die Zeit der wilden Jagd, die sogenannten Rauhnächte, in der eine Heerschar von gequälten Seelen angeführt von Wotan wild durch die Lüfte braust.
Auch wenn die Geister nicht per se dem Menschen übel gesonnen sind, so ist es dem Glücke sicher nicht zuträglich, wenn sich diese in der zum Trocknen aufgehängten Wäsche verfängt. Das kann dann so unschöne Konsequenzen haben, dass die Geister und Dämonen auf Rache schwören oder gar das Anstoß erregende Wäschestück fortzutragen, um es dem Besitzer dann eines schrecklichen Tages als Leichentuch wieder zu präsentieren. Daher müssen die Laken eben bis ins neue Jahr schmutzig bleiben.
Wer aber dennoch nicht untätig sein will, der bringe vor Mitternacht noch schnell den Müll raus, kehre die Asche aus dem Kamin zusammen und ziehe sich ein neues Hemd an. Alles gute Maßnahmen, damit man keine Altlasten aus dem vergangenen Jahr mitnimmt und einen frischen Start wagen kann.
Überhaupt sind die Rauhnächte eine recht mysteriöse Zeit: z.B. gibt es keine geeignetere Zeit diverse Orakel zu befragen und einen Blick in die Zukunft zu erhaschen. Vermutlich pflegen wir daher noch heute den Brauch der Molybdomantie, des Bleigießens, welches aber bekanntermaßen nicht besonders zuverlässig ist, da nur selten die versammelte Feiergemeinde sich auf eine verbindliche Interpretation der Gussfiguren einigen kann. Benutzt man noch richtiges Blei zum gießen, kann man zumindest festhalten, dass dies der zukünftigen Gesundheit nicht wirklich zuträglich ist.
Besser halten es da die Tschechen, welche die Zukunft lieber aus Äpfeln (gesund und reich an Vitaminen) herauslesen: Der Apfel wird entlang seines Äquators halbiert und die Anordnung der Apfelkerne begutachtet: Sehen wir ein Kreuz ist dies ein böses Omen, sehen wir einen Stern ist das Glück uns im neuen Jahr hold. Verspeist man den Apfel auch noch, ist zumindest nach moderner Lesart eine gute Grundlage für die Gesundheit gelegt, denn Äpfel beinhalten ja bekanntlich viel Vitamine.
Zu Äpfeln passen ja gut Zwiebeln. Begibt man sich nur etwas weiter nach Nord-Westen ins Erzgebirge, so kann man den Zwiebelkalender befragen. Hier wird eine Zwiebel in zwölf Schalen zerlegt, welche sodann mit den Monatsnamen beschriftet und mit Salz bestreut werden. Man lässt die so präparierten Zwiebeln nun, je nachdem, entweder eine Stunde oder gar über nacht liegen. Anschließend kann man an der Menge der angesammelten Feuchtigkeit ablesen, wie regenreich der jeweilige Monat im nächsten Jahr werden wird.
Tiere haben schon immer bei der Zukunftsvorhersage eine Rolle gespielt. Doch man muss nicht unbedingt eine Ziege dafür schlachten: In manchen Silvesternächten können die Tiere im Stall nämlich die menschliche Sprache sprechen und erzählen von der Zukunft. Ob diese jedoch besonders glücklich für den Zuhörer wird, ist fraglich, denn droht ihm der baldige Tod, wenn er die Tiere belauscht hat.
Vom Silvesterschmaus
Über die Auswahl eines trefflichen Weihnachtsfestessens habe ich ja anderweitig bereits berichtet. Doch auch zu Silvester gibt es einiges Wissenswerte zu beachten:
Einerseits ist von Fischgerichten eher abzuraten, da diese Gräten enthalten. Zurück geht dieser Aberglaube auf Papst Silvester (✝︎ 31.12.335), dem wir auch den Namen des letzten Tages eines Jahres zu verdanken haben. Dieser frühe Papst muss wohl eine ganz besondere Aura an sich gehabt haben, denn in seiner Gegenwart ist wohl so mancher Ungläubige an einer Fischgräte erstickt.
Anderseits aber, empfiehlt der Brauchtumsexperte den Verzehr eines Silvesterkarpfens, dessen schillernde, runde Schuppen an glänzende Münzen erinnern sollen und damit als Vorbote für zukünftigen Reichtum dienen sollen. Man bewahre deshalb vorsorglich immer eine Schuppe des Silvesterkarpfens in seinem Geldbeutel auf. Wer aber auf Nummer Sicher gehen will, der kann sich auch stattdessen eine schmackhafte Linsensuppe zubereiten, da die Linsen auch den selben Symbolismus bedienen.
Ebenfalls ist es nicht ratsam, Hühnchen oder anderes Geflügel zu verspeisen. Sagen zumindest die Portugiesen. Das Glück soll schließlich nicht gleichsam eines Vogels davon fliegen.
Schweinefleisch soll gut passen und ein Marzipanschwein ist im deutschsprachigen Raum ein beliebter Gast auf jeder Silvesterparty. Eben das beliebte Glücksschwein, ein Zeichen für Wohlstand und Reichtum, denn der Schinken eines Schweins muss diesem erstmal abgefüttert werden. Und nicht zuletzt brachte das goldene Borstenvieh Gullinborsti vor dem Wagen des nordischen Gottes Freyr Licht in das dunkel der Nacht.
Berliner Pfannkuchen, Silvesterkrapfen, niederländische Oliebollen und ähnliches Schmalzgebäck ist immer eine gute Wahl. Zum Einen weil es gut schmeckt, aber zum anderen, weil obergenannte Geister auch gerne daran naschen, um sich für ihre wilde Jagd zu stärken. Merke: Nur ein wohl genährter Geist ist ein gnädiger Geist. Auch wenn die Dämonen keinen Appetit auf Krapfen haben, kann man das Gebäck noch einem anderen, aus dem britischen Einflussbereich stammenden Gebrauch zuführen. Man wirft einen Kuchen an die Tür des Nachbarn, damit dieser im kommenden Jahr kein Hunger leiden möge.
Natürlich wird um Mitternacht mit auf das neue Jahr angestoßen. In Russland, wo man nicht nur das neue Jahr begrüßt, sondern auch Väterlichen Frost rasch auf einen Sprung vorbei kommt, um noch die Weihnachtsgeschenke vorbei zu bringen, wird der Sekt noch zusätzlich verfeinert: Man schreibt die Wünsche für das neue Jahr auf einen Zettel, der sodann verbrannt wird, um die resultierende Asche mit dem Sekt zu vermischen, welches dann bis Mitternacht ausgetrunken werden muss.
Der abergläubische Spanier verzichtet auf die Asche, nimmt zusätzlich aber ein Paar Weintrauben zu sich. Genau 12 Stück, zu jedem Glockenschlag eine. Doch aufgepasst: Wer nicht schnell genug ist, sich verschluckt oder gar verzählt, dem droht Unglück. Daher gibt es die Trauben schon verzehrfertig in der passenden Anzahl fertig abgepackt zu kaufen. Wem es jedoch gelingt, der darf sich für das neue Jahr etwas wünschen.
Eine Chance für die Liebe
Wer zum Jahreswechsel kräftig feiert kann sich auch entsprechend in Schale werfen. Wir erinnern uns: ein neues Hemd tragen ! Darüber hinaus empfiehlt es sich unter Ballkleid oder Frack einen roten Schlüpfer anzuziehen. Schon die alten Römer wussten: Rote Unterwäsche bringt Glück. Dem zur Folge ist es nicht überraschend, dass die Italiener bis heute daran festhalten. Aber auch in anderen (romanisch sprachigen) Ländern glaubt man an den Effekt. Die Brasilianer, z.B. glauben, dass sich dem Träger von roter Unterwäsche im neuen Jahr die große Liebe offenbaren wird.
Doch Vorsicht: Wie bei allem Hokus Pokus gibt es auch hier einige Regeln zu beachten: Die rote Unterwäsche muss geschenkt UND neu sein ! UND darf nur einmal getragen werden, damit die Magie funktioniert.
Vielleicht gibt es die rote Unterwäsche auch mit warmem Innenfutter, denn in den Rauhnächten bietet sich unverheirateten Frauen die Chance um Mitternacht eine Wegkreuzung oder einen ähnlich magischen Ort aufzusuchen. Dort soll dann ein Phantombild ihres zukünftigen Ehegatten erscheinen, welches geschwind und schweigend vorüber schreitet. Getreu der Sage von Orpheus in der Unterwelt ist es jedoch nicht gestattet das Phantom anzusprechen oder sich umzuwenden und hinterher zu blicken, weil dies fatale Folgen nach sich ziehen könnte. (Überliefert aus Wales & Schottland)
Schluss mit Stille Nacht…
Von den Geistern in der Silvesternacht haben wir ja schon gehört. Nachdem man dafür gesorgt hatte, dass etwaige Fluchtwege nicht durch Wäsche zugehängt sind, konnte man sich nun eher aktiv darum kümmern die üblen Geister und Dämonen zu vertreiben. Heute machen wir dies gerne mit Feuerwerk und Böllern. Die Niederländer treiben den Spass noch eine Stufe weiter, indem sie teilweise nicht nur käufliches Feuerwerk abbrennen, sondern ein Carbid-Schießen zu veranstalten.
Hier zu wird Calciumcarbid, welches normalerweise als Brennstoff für Carbidlaternen oder als Maulwurfsbekämpfungsmittel verwendet wird, mit einer geringen Menge Wasser in eine leere Milchkanne eingebracht. Diese wird dann mit einem Ball oder einem Deckel verschlossen. Carbid setzt in Verbindung mit Wasser das hochbrennbare Gas Acetylen frei, welches dann durch ein kleines Zündloch in der Kanne entzündet wird. Das dies ein recht gefährliches Unterfangen ist, kann man sich leicht vorstellen: Entsteht zu wenig Acetylen oder zündet man zu früh gibt es eine Stichflamme. Nimmt man zuviel Carbid, kann die Kanne wie eine Bombe explodieren. Ferner kann man auch mit dem Deckel versehentlich Leute in der Schussbahn abschiessen. Oder der Rückstoss schleudert die Kanne gegen den Schützen. Kein Wunder also, dass die Niederlande diesen Brauch mittlerweile streng reglementieren.
Auch im 19. Jahrhundert wurden die offenbar recht geräuschempfindlichen Geister mit Lärm vertrieben, jedoch indem man alle Kirchenglocken läuten ließ. Das alte Jahr ausläuten und das neue Jahr einläuten. Das soll es auch heute noch geben, jedoch hört man dies vor lauter Feuerwerk kaum. Da bietet das Jahr 2020 ja eine ganz besondere Chance die Glocken entsprechend in Szene zu setzen: Feuerwerk ist vielerorts verboten, Versammeln in großer Zahl sollte man sich auch nicht… Also alles ideal für ein Glockengeläut, das sowohl effektvoll ist, als auch aufgrund seiner akustischen Natur auch ohne direkte Sichtlinie von daheim genossen werden kann. So z.B. in Münster, Ettlingen, und noch einigen anderen Orten in Deutschland, wo dieses Jahr um Mitternacht alle Glocken für 20 Minuten läuten sollen.
Im Allgäu greift man auch, wen wundert’s, gerne zur etwas kleineren Kuhglocke. Auch eine nette Aktion, wenn auch nicht ganz unproblematisch: Da in Bayern zur Zeit ab 21 Uhr Ausgangssperren in Kraft sind, kann man wohl nur auf dem eigenen Grundstück läuten. Ebenso verbietet es sich auch das Läuten nach Ablauf der Sperre, da Kuhgeläut auch zu Neujahr um 5 Uhr morgens als nächtliche Ruhestörung zu werten ist.
Im Norddeutschen zieht man stattdessen mit dem Rummelpott um die Häuser. Mit diesem auch Brummtopf genannten „Instrument“ zieht man dort seit alters her durch die Nachbarschaft, singt launige Lieder und erbittet sich eine milde Gabe in Form von Back- und Naschwerk für die Kleinen und einen Schnaps für die Großen. Ein Prozedere, welches dem Martinssingen im Rheinland recht ähnlich ist. Der polternde Rummelpott dient dabei nicht nur der rythmischen Untermalung des Gesangs, sondern soll auch die bösen Geister der Rauhnächte vertreiben,
Prosit Neujahr
Der Neujahrstag dann hat auch seine besondere Bedeutung. Von christlich-jüdischem Standpunkt, ist der Oktavtag von Weihnachten (8 Tage nach Heiligabend, der 1. Januar) der Beschneidungstag Jesu Christi. Den meisten Gläubigen kann dies aber relativ egal sein, da dieses Fest mittlerweile aus den Statuten der Kirche gestrichen wurde. Mag vielleicht auch damit zusammenhängen, dass die über Jahrhunderte als Reliquie verehrte heilige Vorhaut in den Wirren der Historie verschwunden ist. Allerdings sei auch angemerkt, dass Jesus wohl mehrere Vorhäute gehabt haben muss, gemessen daran, wieviele entsprechende Reliquien es gegeben hat.
Komm rein, bring Glück herein
Aber kommen wir nochmal auf das bereits oben beschworene Liebesglück zurück. Auch wenn man im viktorianischen England recht abergläubisch war, so ging man in Sachen Liebe im neuen Jahr doch recht pragmatisch vor. Getreu der Maxime mit Vergangenem abzuschliessen und einen neuen Start zu wagen, öffneten wohlhabende Haushalte ihre Türen für Bekannten und sozialen Kontakte, um offene gesellschaftliche Verpflichtungen gerade zu rücken. Besucher zum neuen Jahr waren willkommen und bekamen mindestens einen Drink, wenn nicht auch einen Snack offeriert. Gerade Junggesellen in heiratsfähigem Alter bot dies die Gelegenheit den unvermählten Töchtern des Hauses ihre Aufwartung zu machen und sich für eine Beziehungsanbahnung zu empfehlen. Manche Anwärter besuchten so über 30 Häuser; der Vergleich mit dem heutigen Speed Dating ist also gar nicht mal so abwegig.
Eine besondere Bedeutung kam dem ersten Besucher, dessen Fuss im neuen Jahr die Schwelle des Hauses überschritt, zu. Bei diesem „First Footing“ wurde traditioneller Weise Brot, Salz, Kohle, Whisky oder grüne Pflanzen (oder ähnliche Symbole für Wohlstand) als Geschenk dargebracht werden. An den ideale First-Footer wurden auch entsprechende idealtypische Anforderungen gestellt: Als besonders glücklich galt der Besuch eines dunklen, großen und wohlgestalten Mannes. Der nordische blonde oder rothaarige Typ war eher ein unglückliches Omen. Revanchistische Gedanken an historische Wikinger Invasoren auf den britischen Inseln ? Wir wissen es nicht. In Schweden ist es jedenfalls genau umgekehrt.
Der Pfarrer oder der Onkel Doktor waren ferner auch schlechte First Footer, da diese mit Krankheit und Beerdigung in Verbindung gebracht wurden.
Frohes neues Jahr
Hoffen wir also, dass die verehrte Leserschaft gut ins neue Jahr gekommen ist und im neuen Jahr keinen Katzenjammer auskurieren muss.
In diesem Sinne: Frohes neues Jahr 2021 !
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