Sturm im Glas

Neulich erreichte mich eine Anfrage meiner Schwester:


Kurzum: Funktioniert Wettervorhersage mit einem Sturmglas oder ist das nur Mumpitz ?

Sturmglas – Was ist das und wer hat’s erfunden ?

Bei einem Sturmglas handelt es sich um ein hermetisch abgeschlossenes Glasgefäß (meist ein Rohr), dass mit einer Mischung aus destilliertem Wasser, Alkohol, Campher, Kaliumnitrat und Ammoniumchlorid gefüllt ist. Sinn des ganzen soll sein anhand des Auftretens von Kristallen und deren Aussehen das Wetter der nächsten 24 – 36 Stunden vorherzusagen.

Sturmglas nach FitzRoy (Foto: Wikipedia, ReneBNRW, Creative Commons License CC0 1.0)

Die Erfindung des Sturmglases wird unteranderem einem Herrn Barth aus Nürnberg zugeschrieben, doch erst der britische Admiral Robert FitzRoy im 19. Jahrhundert war es wohl, der dem Sturmglas zu größerer Bekanntheit verhalf. Besagter Admiral hatte damals die Aufgabe ein meteorologisches Meßnetz für die Royal Navy aufzubauen und in dem dafür zu verwendenden Meßinstrumentarium sollte auch ein solches Sturmglas eingesetzt werden.

Wie das kristalline „Schneetreiben“ im Glas zu interpretieren sei, beschrieb FitzRoy in seinem Buch über Wetterbeobachtung, nachdem er mit niemand geringeren als Charles Darwin auf dessen zweiten Forschungsreise mit der HMS Beagle, empirische Studien über das Verhalten des Sturmglases angestellt hatte:

  • Wenn die Flüssigkeit im Glas klar ist, wird das Wetter sonnig und klar.
  • Ist die Flüssigkeit flockig, wird es bewölkt. Niederschlag ist möglich.
  • Wenn kleine Flöckchen in der Flüssigkeit schweben, kann man feuchtes, nebeliges Wetter erwarten.
  • Ein trübes Glas mit kleinen Sternen deutet auf Gewitter.
  • Sind an einem schönen Wintertag kleine Sternchen in der Flüssigkeit, wird es schneien.
  • Sind große Flocken überall in der Flüssigkeit, wird es je nach Jahreszeit bedeckt oder im Winter fällt Schnee.
  • Wenn viele Kristalle auf dem Boden sind, gibt es Frost.
  • Wenn sich an der Oberfläche Kristalle bilden, wird es stürmisch.

Grau ist alle Theorie…

Trotz dieser Studien blieb das Sturmglas eine Kuriosität, als ein anerkanntes wissenschaftliches Messinstrument, denn eine plausible Erklärung, wie das ganze funktionieren solle, war nicht vorhanden. Ein Einfluss des Luftdrucks (der bei heranziehendem Unwetter ja fällt) konnte man ausschließen, da die meisten Sturmgläser gasdicht abgeschmolzen sind und der Luftdruck damit wenig bis gar keinen Einfluss auf die Lösung ausüben kann.

Eine weitere Theorie, die jedoch erst in modernerer Zeit aufkam, war der Einfluß des impulshaften Auftretens von elektromagnetischen Wellen natürlichen Ursprungs in der Erdatmosphäre, sogenannten Sferics. Solche Impulse können z.B. durch das Auftreten von Blitzen entstehen. Der Einfluß dieser Impulse auf die belebte und unbelebte Umwelt ist jedoch Gegenstand von Diskussionen und wird weitestgehend esoterischen Kreisen zugeschrieben.

Dem Rätsel auf der Spur

Und auch in jüngerer Vergangenheit beschäftigt dieses kuriose (und zudem sehr dekorative) Messinstrument die Wissenschaftler. Sehr informativ ist z.B. eine Arbeit eines Allan Mills vom Institut für Geologie der Universität in Leicester, dass 2008 in Weather, dem Journal der Royal Meteorological Society, erschienen ist (Weather 2008, 63, 161 – 163.), in welchem einfache Sturmgläser verschiedentlich Umwelteinflüssen ausgesetzt werden, so z.B. auch verschiedene elektromagnetische Felder, die keinen sichtbaren Einfluß auf die Gestalt der auftretenden Kristalle hatten, was im Allgemeinen den Erkenntnissen der Kristallisation entspricht.

Ebenfalls sehr aufschlussreich sind die Untersuchungen von Kaempfe et al. vom Institut für Anorganische Chemie der Universität Duisburg-Essen, die das verhalten eines Sturmglases über 1 Jahr mit dem lokalen Wetter verglichen und zu dem Ergebnis kamen, dass ein solches Glas zur Vorhersage von schlechtem Wetter nur sehr begrenzt bis gar nicht geeignet ist. In Übereinstimmung mit den Ergebnissen der Uni Leicester, wird das Kristallisationsverhalten auf die Umgebungstemperatur und die Geschwindigkeit, mit der sich diese ändert zurück geführt.

Hierbei kommt erschwerend hinzu, dass das Sturmglas in unserer modernen Welt mit wärmeisolierten Energiesparbauwerken und Zentralheizung in seiner Leistungsfähigkeit noch deutlich schlechter abschneidet als zu Zeiten von Admiral FitzRoy, als die Raumtemperatur noch deutlich von der Außentemperatur zusammenhing.

Interessant ist auch folgender Umstand:

Der Vergleich zweier baugleicher Sturmgläser zeigte, dass sich in jedem Kristallsystem ein individuelles Gleichgewicht aus- bildete. Beide Instrumente lieferten also unterschiedliche Vorhersagen für das Wetter, was die Komplexität des Systems und die daraus resultierende mangelnde Reproduzierbarkeit unterstreicht.

— Chemie in unserer Zeit 2012, 46, 26-31.

Mangelnde Reproduzierbarkeit ist für ein Meßverfahren ein sicheres Todesurteil.

Eine tierische Alternative

Nicht minder kurios war der zum Sturmglas in direkter Konkurrenz stehende Gerät, der sogenannte Sturmvorhersager (Tempest prognosticator) oder alternativ auch Egelbarometer genannt. Hierbei machte man sich die Wetterfühligkeit von Blutegeln (ähnlich dem Wetterfrosch) zu nutze: In zwölf Glasbehältern saßen jeweils 1 Egel, der bei heranziehendem Sturm aus dem Wasser und in eine schmale Metallröhre hinein kriechen sollte. Dort löste er einen Mausefallen-artigen Mechanismus aus, der eine Glocke zum Läuten brachte. Je mehr Egel in einer Zeitspanne die Glocke auslösten, desto höher die Wahrscheinlichkeit eines heranziehenden Gewitters. Auch wenn sich dieser Apparat letztendlich nicht durchsetze, so soll seine Erfolgsquote wohl ganz beachtlich gewesen sein.

Nachbau des originalen Storm prognosticator (By Badobadop [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], from Wikimedia Commons)
Nachbau des originalen Storm prognosticator (By Badobadop [CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], from Wikimedia Commons)

Das abschließende Urteil muß daher also lauten: Das Sturmglas ist ein recht dekorativer, aber dennoch gänzlich nutzloser Apparat zur Wettervorhersage. Das Egelbarometer funktioniert zwar besser, kann aber letztendlich aufgrund ästhetischer Defizite auch nicht empfohlen werden.