Who is Who – Weihnachtsedition II

Stichwort Globalisierung – So wie die Großindustrie auf allen bedeutenden Absatzmärkten lokale Dependancen unterhält, so besitzt auch die Großunternehmung Weihnachten ein hochdiversifiziertes internationales Team, dass bei den weihnachtlichen Festivitäten den Vorsitz führt und die Geschenke Logistik abwickelt.

Da wir den beiden Hauptprotagonisten in Deutschland, dem Weihnachtsmann und dem Christkind, letztes Jahr bereits unsere Aufmerksamkeit geschenkt haben, möchte ich mich heute mal den übrigen Weihnachtsfiguren in In- und Ausland widmen.

Christmas-gift-bringers-Europe
Wirft man einen Blick auf die weihnachtliche Gebietsaufteilung, so erkennt man schnell, dass der Weihnachtsmann & Kollegen in Europa ganz klar die Marktführer sind. Während die eher christliche Variante des heiligen Nikolaus etwas auf der Rückmarsch ist, mit Hochburgen in den Niederlanden und Polen, findet man andernorts die eher Profanen Kollegen Weihnachtsmann, Father Christmas (England) und Père Noël (Frankreich). Während die Uniform relativ einheitlich ist, gibt es doch lokale Besonderheiten, die sich zum Beispiel im Fuhrpark des Père Noël äußern: Dieser kam auch mal gerne auf einem fliegenden Esel daher geritten (bevor dieser seinen Job an die Rentiere verlor) oder für Einsätze im ehemals französischen Louisiana in einem von acht Alligatoren gezogenen Wasserfahrzeug.

Am wenigsten würde man den Weihnachtsmann wohl in der islamisch geprägten Türkei erwarten. Doch auch dort ist der Noel Baba aktiv. Schließlich war der heilige Nikolaus Bischof von Myra, welches bekanntlich in der Türkei liegt. Da der Weihnachtsmann jedoch den ganzen Dezember damit beschäftigt ist, sich den Christen zu widmen, kommt er erst am 1. Januar in die Türkei und gilt dort wohl deswegen als ein Symbol des Jahreswechsels im Spannungsfeld zwischen Christentum und Islam.

In Russland wird es dann etwas heidnisch: Väterchen Frost (Djeduschka Moros), in Begleitung seiner Enkeltochter Snegurotschka, macht sich dort in der Silvesternacht auf den Weg um den Kindern Geschenke zu bringen. Ursprünglich der Winter in Menschengestalt, musste Väterlichen Frost nach der russischen Oktoberrevolution für den hl. Nikolaus/Weihnachtsmann einspringen, weil religiöse Feste im Kommunismus auf Ablehnung stießen. Die Auslieferung der Geschenke musste dementsprechend auch in die Silvesternacht verlegt werden.

Ded Moroz 72
Während dieser russische Kollege auch in einem Schlitten dahingefahren kommt, unterscheidet sich sein Outfit jedoch dahingehend, dass es eher von eisigen Grau- und Blautönen dominiert ist und durch ein magisches Zepter abgerundet wird, dass alles, was es berührt vereisen lässt.

In Skandinavien dann verhält es sich dann wieder anders. Während anderswo die Wichtel und Elfen eher als Gehilfen des Weihnachtsmann auftreten, treten in Norwegen der Julenissen, in Schweden der Jultomten und im (streng genommen nicht zu Skandinavien gehörenden) Island die Jólasveinar auf, welche alle mehr oder minder Personifikationen von Weihnachtswichteln sind.

Tomte und Nisse sind mythische Wichte oder Kobolde in der skandinavischen Folklore und fungierten dort lange als eine Art Hausgeist, der einerseits Haus & Hof beschützt, aber gerne auch mal Streiche spielt. Zum Aufgabenkreis ist dann in neuerer Zeit die Auslieferung von Geschenken gekommen. Im Gegenzug gehört es zum guten Ton, dem Nissen eine Schale Haferbrei mit einem Klacks Butter bereitzustellen. In jüngerer Zeit kommt er auch mit dem Rentierschlitten, der zwar nicht fliegen kann, aber dann hat er auch keine so weite Anreise wie der Weihnachtsmann. Traditionsbewusste Wichte werden vom Julbocken begleitet, dem Weihnachtsziegenbock, der auch eine lange Tradition in Skandinavien hat und da schon der Donnergott Thor in einem Streitwagen gezogen von zwei Ziegenböcken über das Firmament brauste (Dieser hat allerdings ein Donnerwetter verteilt und keine Geschenke !). Dem Julebocken, in Form eines strohgeflochtenen Ziegenbocks, gebührt ferner ein Ehrenplatz in der Weihnachtsdekoration. Die berühmte Ausprägung dieser Strohfigur ist der Gävlebocken in Schweden, der nicht nur durch seine besondere Größe imponiert, aber traurige Berühmtheit erlangte regelmäßig Opfer von Brandanschlägen zu werden.

Gävle goat on December 21, 2009 crop

Der Gävlebocken


Bevor sich die Wichte auch um das Weihnachtsfest kümmerten, war der Weihnachtsbock übrigens alleine unterwegs. In Finnland ist dies übrigens immer noch Gang und Gebe. Hier gibt der Joulupukki eine One-man-Show zu Weihnachten. Hier schließt sich auch der Kreis zum Weihnachtsmann, da der Joulupukki, der eigentlich zur Entourage von Wotan und Thor gehört und zu Weihnachten Menschengestalt annimmt. In modernen Zeiten scheint der Joulupukki aber sich nicht mehr die Mühe zu machen sich in Ziegengestalt zu verwandeln: Die Vorbereitung für das Weihnachtsfest ist schließlich ein Fulltimejob. Er wohnt mit seiner Frau und seinen Wichteln im finnischen Korvatunturi.

Korvatunturi kesällä

Hier muss er irgendwo wohnen… (Sommeransicht !)

Für alle diejenigen, die sich übrigens Fragen, was der Weihnachtsmann / Joulupukki am 24.12.2017 tagsüber, also vor der Bescherung, macht (wir ignorieren jetzt mal den Umstand, dass es mehrere Zeitzonen gibt) kommt hier nun eine spektakuläre Enthüllung:

Flug XMS2412 aus Finnland

Jedes Jahr gibt sich der Weihnachtsmann am Dresdner Flughafen die Ehre. Pünktlich um 10.00 Uhr kommt er mit dem Flug XMS2412 direkt aus Lappland eingeflogen um im Anschluss in einem „Bühnenprogramm mit Spiel und Spaß, Liedern, Gedichten und kleinen Geschenken“ den Kindern die Wartezeit bis zur Bescherung zu verkürzen. Das es sich hier um den Joulupukki handeln muss, kann man daran erkennen, dass der Flieger aus dem finnischen Rovaniemi kommt, welches die Provinzhauptstadt von Lappland ist und als solche zwar nicht direkt am Korvatunturi liegt, aber zumindest liegt aber mit viel gutem Willen mit ca. 230 km noch in der Nähe (Vielleicht betreibt der Joulupukki dort ja ein Logistikzentrum).

Wer jetzt denkt, das der Weihnachtsmann ganz standesgemäß mit dem Learjet eingeflogen kommt oder reichlich Geschenke in einer Transall mitbringt, wird enttäuscht sein: Bescheiden wie der gute Mann nun mal ist, kommt er mit einem zweisitzigen Sportflugzeug dahergeflogen. Vermutlich ist es auch kein Direktflug, da 1840 km Luftlinie doch etwas weit für ein so kleines Flugzeug ist, vorausgesetzt die Privatmaschine des Weihnachtsmanns ist nicht luftbetankungsfähig.

Die Jólasveinar in Island sind hingegen ein ziemlich rüder Haufen. Diese 13 Weihnachtskerle erscheinen ab dem 12.12. jeweils einzeln, einer je Tag, bis zum 24.12. und bringen Geschenke. Ihr sonstiges Aktivitätenspektrum reicht von simplen Schabernack (Gluggagægir, der Fensterglotzer, späht mit großen Augen in die warmen Stuben oder Gáttaþefur, der Türschlitzschnüffler, ihn erkennt man an seiner langen Nase) bis hin zu durchweg als kriminell zu bezeichnenden Aktionen (Stekkjastaur, der Pferchpfosten, ist dürr und steif, klaut Milch der Mutterschafe im Stall oder Bjúgnakrækir, der Wurststibitzer, angelt die geräucherten Würste aus dem Rauchfang).

Wenden wir uns nun den etwas wärmeren Gefilden in Südeuropa zu. In Italien kommt natürlich auch der Babbo Natale, der Weihnachtsmann. Etwas landestypischer ist die Hexe Befana, die allerdings erst am Dreikönigstag geflogen kommt um den guten Kindern Süßigkeiten zu bringen. Als praktische Zusatzleistung fegt sie mit ihrem Besen noch kurz die Stube aus, um die Altlasten des vergangenen Jahres zu beseitigen.

Tri Befàni
Man erzählt sich, dass die Befana den heiligen drei Königen auf ihrer Suche nach dem Jesuskind Herberge gewährte, sie allerdings auf ihrer Suche nicht begleiten wollte, weil sie zu beschäftigt im Haushalt war. Da sie dies allerdings bereute, zog sie los um selbst nach dem Jesuskind zu suchen, vermochte dies aber nicht zu finden und befindet sich bis zum heutigen Tage auf der Suche.

In Spanien gibt es, neben dem offenbar allgegenwärtigen Papá Noel, vor allen anderen natürlich die Drei Heiligen Könige, die Los Reyes Magos. Diese bringen an ihrem angestammten Feiertag den spanischen Kindern die Geschenke. Ihre Ankunft wird am Abend des 5. Januar mit der Cabalgata de Reyes Magos gefeiert, einem feierlichen Umzug.

Photograph of a typicalcontemporary Tió
CC BY-SA 3.0, Link

Daneben gibt es noch eine ganze Reihe regionaler Weihnachtspersönlichkeiten. Eine besondere Qualität besitzen zwei Gestalten der katalanischen Weihnacht. Zum einen ist da der Tió de Nadal der Weihnachtsholzscheit. Dieser Holzscheit besitzt zwei Beine, ein lächelndes Gesicht und mitunter eine rote Mütze. Dieser niedliche Geselle wird nun von Maria Empfängnis (8. Dezember) jeden Abend von den Kindern gefüttert und sorgsam mit einer Decke zugedeckt, damit er sich nicht erkältet. Wer gut ißt, muss natürlich auch irgendwann gut sch… Nun, sagen wir, der Holzscheit dankt die Fürsorge der Kinder mit einem „Häufchen“ aus Süßigkeiten (die die Eltern am Weihnachtsabend heimlich unter der Decke positioniert haben). Natürlich gibt es nur Kleinigkeiten, da die großen Geschenke ja von den Reyes Magos gebracht werden. Um den Klotz zum kacken zu animieren wird er mit Stöcken geschlagen, während ein traditionelles Lied gesungen wird:

Typisches Tió de Nadal Gedicht

Offenbar besitzen die Katalanen eine spezielle Art des Humors, wenn es um Weihnachten geht. Denn neben den üblichen Krippenfiguren, gibt es noch den Caganer, eine Figur, die mit heruntergelassenen Hosen seine Notdurft im Umfeld der Geburt Jesu verrichtet. Warum man diesen komischen Gesellen ins Krippenensemble aufnahm bleibt im Nebel der Geschichte verborgen, man munkelt aber, dass er ein Sinnbild für den Kreislauf der Natur ist, dass er die Erde düngt und man so auf eine reiche Ernte im neuen Jahr hoffen darf. Während er traditionell in der Kleidung eines katalanischen Bauern gewandet ist, findet man jüngst auch Nachbildungen prominenter Figuren.

Caganers
Jüngst soll sogar der erfolglose katalanische Unabhängigkeitskämpfer Carlos Puigdemont Modell für einen solchen Krippenscheißer gestanden haben.

Wir sehen also, es ist ein ziemlich buntes Völkchen, dass den „weihnachtlichen Paketversand“ übernimmt. Bleibt zum Schluß nur noch der geneigten Leserschaft ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest und einen fleißigen Weihnachtsmann zu wünschen !

Stollensaison

Same procedure as every year… Nein, es ist noch nicht Sylvester und die Adventszeit hat gerade erst begonnen, aber der Verkauf von Weihnachtsgebäck und -leckereien ist schon wieder in vollem Gange. Während mancher auf so einen frühen Start eher verhalten reagiert, sind andere Leute kaum zu bremsen. So soll es z.B. schon vorgekommen sein, dass bei meinem Doktorvater schon pünktlich zum Verkaufsbeginn im September der erste Christstollen auf dem Kaffeetisch stand.

Schmeckt am besten wenn er gut durchgezogen ist… Christstollen !

Und um genau dieses Gebäck soll es heute hier auch gehen… Christstollen als die Spezialität aus Dresden schlechthin. Laut Lexikon ist ein Stollen (oder in manchen Gegenden von Deutschland auch Stolle1) ein Kuchen aus Hefeteig und erhielt seinen Namen vom althochdeutschen Wort ’stollo’ für Pfosten / Stütze. Natürlich ist ein guter Stollen wesentlich schmackhafter und saftiger als ein Holzpfosten, was unter Anderem an seinem Gehalt an Trockenfrüchten (Sultaninen !), Butter und allerlei Füllungen liegen mag.

Dementsprechend gibt es eine Mannigfaltigkeit an verschiedenen Stollensorten:

  • Mandelstollen
  • Marzipanstollen (mindestens 5 % Marzipan)
  • Mohnstollen
  • Nußstollen bzw. -striezel
  • Butterstollen (mindestens 40 Teile Butter und 70 Teile Rosinen, Orangeat und Zitronat)
  • Quarkstollen (mit Quark oder Frischkäse im Teig)

Ein echter Dresdner Christstollen jedoch enthält (auch wenn Manche Anderes glauben) kein Marzipan oder verwegene Füllungen, sondern ist ein besonders gehaltvoller Butter-Rosinen-Stollen. Über die Qualität wacht hier der Schutzverband Dresdner Stollen, der hier eine Art Reinheitsgebot definiert hat. Dieses schreibt vor, dass ein Christstollen auf 100 Teile Mehl mindestens 50 Teile Butter, 65 Teile Sultaninen, 20 Teile Orangeat und/oder Zitronat und 15 Teile Mandeln enthalten muss (plus die sonstigen Zutaten für einen guten Hefeteig) und keine Magarine oder künstliche Konservierungs- und Aromastoffe enthalten darf. Backformen sind ebenfalls nicht gestattet, jeder Stollen wird von Hand geformt. Und obwohl man schon fast von einem standardisierten Produkt sprechen mag, hat jeder Stollenbäcker (über 120 gibt es im Großraum Dresden) seine persönlichen Tricks und Kniffe (sprich ein von den Altvorderen überliefertes Rezept), die dem Endprodukt eine individuelle Note verleiht.

Das Endresultat genießt einen solchen Ruhm, dass man sich diese beliebte Leckerei von der EU als geographisch geschützte Angabe hat eintragen lassen und die Vorgaben dort festschreiben hat lassen. Das liest sich dann so:

Der Stollen besitzt eine ebenmäßige äußere Form, ist angemessen gebräunt und gleichmäßig gebuttert und gezuckert. Er weist eine gut gelockerte Krume mit gleichmäßig verteilten Früchten auf. Der Stollen riecht und schmeckt rein, aromatisch und abgerundet.

Klingt gut und ist es auch. Damit das auch so bleibt, veranstaltet der Stollenverband jedes Jahr eine Stollenprüfung bei der gestandene Stollenbäcker die Qualität der einzelnen Produkte einer rigorosen Prüfung unterziehen und dann der Bäckerei das goldene Stollensiegel erteilen.

Ordnung muss sein ! Stollenprüfung 2017 vor Publikum in der Altmarkt Gallerie

Ordnung muss sein ! Stollenprüfung 2017 vor Publikum in der Altmarkt Gallerie

Wer sich übrigens wundert warum der weiße Puderzucker so gut auf dem Stollen klebt: Die Antwort lautet Butter ! Viel Butter ! Ein Umstand der ein bisschen der historischen Herkunft des Stollens als Fastengebäck widerspricht. Denn: Auch wenn die Adventszeit heute ein munteres Plätzchenfuttern ist, eigentlich ist sie eine Fastenzeit vor dem christlichen Hochfest Weihnachten. Butter war also beim Backen tabu ! Im Urstollen erlaubt waren Wasser, Mehl, Hefe, Hafer und Rüböl. Man kann sich also vorstellen, dass dieses Gebäck für Naschkatzen eher weniger zu empfehlen war.

Da man aber insbesondere bei Hofe und in Adelskreisen nicht gerade auf frugale Kost nach Art von Schmalhans Küchenmeister stand, begab es sich im Jahre 1486 der sächsische Adel bei seinem Fürsten anfragte eine Aufhebung des Butterverbots beim Papst zu erbitten. Und so wandten sich Kurfürst Ernst von Sachsen und sein Bruder Albrecht der Beherzte sich an Papst Innozenz VIII., der das Verbot mit dem Dresdner Butterbrief aufhob.

Mag sein Gebäck auch lieber mit Butter: Papst Innozenz VIII.

Bei aller Opulenz, die Historie des Christstollen kennt auch Durststrecken: Denn zwischen 1949 und 1990 lag die Heimat des Dresdner Christstollens in der DDR. Wenn man sich die Zutatenliste durchliest, so fällt auf, dass Ingredienzen verwendet werden, die in deutschen Landen von Natur aus nicht vorkommen und deswegen aus dem Ausland importiert werden müssen, z.B. Zitronat und Orangeat. Da nun der deutsche Arbeiter- & Bauernstaat klamm an Devisen war, war man auch klamm an besagten Zutaten. Not macht erfinderisch und dem entsprechend versuchte man den Mangel mit heimischen Erzeugnissen auszugleichen, z.B. mit kandierten Möhren (Kandinat M) für Orangeat und kandierten grünen Tomaten (Kandinat T) für Zitronat. Wie das geschmeckt haben muß, kann ich nur raten. Eine Rosinen-Simulation aus Äpfeln war angeblich auch in Entwicklung, konnte aber geschmacklich nicht überzeugen.

Orangeat

Gehört in einen guten Stollen: Orangeat


Doch zurück zum sächsischen Fürstenhof: Jetzt da der Stollen mit Butter verfeinert wurde, war die Begeisterung beim sächsischen Hofe für das Gebäck offenbar derart groß, dass August der Starke anno 1730 anlässlich des Zeithainer Lustlager, einer prunkvollen Truppenschau, sich einen Riesenstollen backen ließ, der über die Stolzen Maße von 7 x 3 x 0,3 m und ein Gewicht von 1,8 Tonnen verfügte. Hierfür wurde extra vom Hofarchitekten Matthäus Daniel Pöppelmann ein riesiger Ofen konstruiert, der den Stollen aufnehmen konnte. Ein solch zünftiger Stollen braucht natürlich auch ein entsprechendes Werkzeug, um ihn in verzehrfertige Portionen zu zerteilen. Hierfür ließ man das „Große Stollenmesser“, ein 1.6 Meter langes Küchenutensil aus Silber anfertigen, mit welchem der Stollen dann in 24000 Portionen aufgeteilt wurde.



Der historische Riesenstollen Augusts des Starken !

Der historische Riesenstollen Augusts des Starken !

Auch heutzutage versucht man sich an riesigen Christstollen. Jedes Jahr anlässlich des Dresdner Stollenfests wird aufs neue ein Riesenstollen gebacken. Die Ausgabe aus dem Jahr 2013, gebacken aus etwa einer Tonne Mehl, zwei Millionen Sultaninen, 563 Kilogramm Butter, 172 Kilogramm Zitronat/Orangeat, 337 Kilogramm Zucker und 120 Liter Jamaika-Rum, brachte es auf stolze 4246 kg und hält damit den Weltrekord. Auf den Riesenofen verzichtet man heute und baut den Stollen aus ca. 500 einzelnen Stollenplatten von etwa 8 kg Gewicht zusammen. Vermutlich keine schlechte Idee, will man das beliebte Szenario „Außen knusprig schwarz und innen roh“ vermeiden. Ist das große Backen erstmal vorbei, werden die einzelnen Platten nach einem ausgeklügelten Verfahren mit reichlich Butter und Zucker zusammengeklebt. Der Maschinenbauer Prof. Kurt Merker tüftelte 1994 ganze 8 Wochen lang daran, wie der Stollen denn nun zusammenzubauen sei und entwickelte sogar eine Vorrichtung zum exakten Stapeln der Platten.

Mauern in der Backstube: Butter statt Mörtel

Mauern in der Backstube: Butter statt Mörtel

Geht man von einem Kaloriengehalt von 416 kcal/100 g aus, hat diese kapitale Köstlichkeit satte 17,7 Mio. kcal. Das entspricht dem Brennwert von 2122 L Benzin, was bei einem Durchschnittsverbrauch von 7 L pro 100 km dafür reicht etwa 3/4 des Äquators mit dem Auto abzufahren ! Das ist natürlich Unsinn. Der Stollenmotor ist leider noch nicht erfunden.

Doch wo Rekorde aufgestellt werden, ist die Konkurrenz nicht weit. So unternahm Lidl (Bereich Niederlande) 2010 im niederländischen Haarlem das Unterfangen einen 72.1 m langen Rekordstriezel zu Backen. Das Gewicht wird im Guinnessbuch nicht überliefert, allerdings darf, EU Verordnung sei dank, zu recht angenommen werden, dass es sich geografisch bedingt um keinen echten Dresdner Christstollen handelte.

Großes Dresdner Stollenmesser Nachbildung 2011

Großes Dresdner Stollenmesser Nachbildung 2011

Ein Großes Stollenmesser gibt es aber immer noch, wenn auch als Replik (und auch für Zuhause). Das Original verschwand leider in den Wirren des 2. Weltkriegs mitsamt des restlichen Silberschatzes der Wettiner. Das Zerteilen des Stollens (nachdem dieser in einem festlichen Umzug durch die Dresdner Altstadt gefahren wurde) erfolgt dann auf dem Striezelmarkt, ausgeführt vom Oberbäckermeister und dem Dresdner Stollenmädchen.

Das Stollenmädchen ist eine weihnachtliche Analogie zur Weinkönigin, also Repräsentantin und Frontfrau für den Dresdner Christstollen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass alle Kandidatinnen für diesen Posten Bäckerinnen-, Konditorinnen- und Bäckereifachverkäuferinnen-Azubis in einer Dresdner Stollenbäckerei sein müssen, da das Stollenmädchen sich natürlich bestens mit der Materie auskennen muß.

Dieses Jahr tritt die Stollenkönigin in seiner 23. Inkarnation in Gestalt der Konditoren-Azubine Hanna Haubold vor die Stollenfans.

Dieses Jahr tritt die Stollenkönigin in seiner 23. Inkarnation in Gestalt der Konditoren-Azubine Hanna Haubold vor die Stollenfans.

So, nachdem wir uns den Christstollen in all seinen Facetten angesehen haben, lässt der Autor nun den Worten die Taten folgen und vergewissert sich selbst, ob das hier angepriesene Produkt auch dieses Jahr seinem Ruf gerecht wird. In diesem Sinne: Frohen 1. Advent !


  1. An dieser Stelle ein schöner Gruß an Anja E. 🙂