Der Sommer hat offiziell begonnen und prompt hängt über Mitteldeutschland eine drückende schwüle Hitze. Wer es noch nicht getan hat holt spätestens jetzt den Ventilator aus dem Keller um sich etwas Kühlung zu verschaffen. Da in meiner maximal-wärmegedämmten Altbauwohnung mit riesigen Fenstern und Südausrichtung nachts Backofentemperatur herrscht, schlafe auch ich bei eingeschaltetem Ventilator.
Doch hier ist Vorsicht geboten, denn koreanischen Quellen zu folge, ist der Ventilator ein leise surrender heimtückischer Killer. Stichwort: Ventilatortod – das Phänomen dass man über Nacht in einem geschlossenen Raum in Gegenwart eines laufenden Ventilators sterben kann.
Natürlich handelt es sich hier um einen Aberglauben bzw. auf Neudeutsch Urban Legend, denn wäre tatsächlich etwas daran, so hätten wir sicher schon längst viel davon gehört. Aber tun wir mal so, als wäre die Sage wahr: Wie soll so etwas von statten gehen ? Genau weiß man das in Korea auch nicht, immerhin gibt es aber mehrere verschiedene Erklärungsversuche:
Ersticken durch Luftmangel
Eine Gruppe von Theorien beschäftigt sich damit, dass der Ventilator seinem Opfer die Luft zum Atmen raubt. Richtet man z.B. den Ventilator auf das Gesicht des Opfers, so saugt dieser sämtliche Luft ab und verhindert so das Atmen. Nun ist es aber so, dass der Ventilator Vorne pustet und nur Hinten saugt. Wer legt sich aber hinter den Ventilator, wo man sich doch von der nach Vorne bewegten Luft kühlen lassen will ? Macht allgemein keinen Sinn und physikalisch schon gar nicht, da ja ständig Luft von Hinten nachströmt. Tatsächlich sind die Luftdruckschwankungen im Raum geringer als bei stürmischem Wetter.
Giftige Gase
Besonders gut gefällt mir folgende Theorie: Der Ventilator entzieht dem Raum den Sauerstoff und/oder reichert die Luft mit CO₂ an. An dieser Theorie mag etwas dran sein, wenn sie einen Ventilator mit (z.B. benzingetriebenen) Verbrennungsmotor Marke Rasenmäher betreiben. Da hier aber die Atmosphäre relativ schnell mit Abgasgestank und vor allem Motorenlärm so verpestet wäre, dass an Schlafen nicht zu denken wäre können wir diese Option abhaken. Eine Kontamination mit Ozon können wir auch ausschließen, da sich dieses nur entweder durch starke UV Strahlung oder durch Hochspannungsentladungen bildet, beides Vorgänge, die in einem handelsüblichen Ventilator auch nicht vorkommen.
Überhaupt kommt bei allen Druck- und Gas-bezogenen Ursachen zusätzlich der Fakt zu tragen, dass die meisten Schlafzimmer keine luftdicht abgedichteten Räume sind, so dass ein Mindestmaß an Austausch mit der Außenwelt stattfindet und solchen Phänomenen entgegen wirkt.
Temperaturbezogene Effekte
Kälte…
Kann ein etwaiger schädlicher Effekt vielleicht vom Kühleffekt des Ventilator kommen ? Halten wir erst einmal fest, dass ein Ventilator die Raum nicht abkühlt. Er bewegt lediglich die Luft. Die Raumtemperatur bleibt jedoch gleich. Der Ventilator dient lediglich als „Miefquirl“.
Die empfundene Abkühlung kommt durch zweierlei Effekte zustande: Sofern wir nicht gerade in tropischen Gefilden verweilen ist unser Körper wärmer als seine Umgebung, d.h. er gibt Wärme andie ihn umgebende Luftschicht ab, bis diese die gleiche Temperatur angenommen hat. Der Ventilator bläst nun die angewärmte Luft weg, d.h. kühlere Luft strömt nach. Faktor 2 ist die Verdunstungskälte durch Schwitzen. Jeder dessen Haut schon mal mit einem Alkoholtupfer desinfiziert wurde kennt Verdunstungskälte (die natürlich bei Alkohol deutlich ausgeprägter ist als dem im Schweiß enthaltenen Wasser). Verdunstung kann solange stattfinden, bis die uns umgebende Luft mit Wasserdampf gesättigt ist, d.h. die maximale Menge an Wasserdampf aufgenommen hat. Auch hier kommt dem Ventilator wieder die Aufgabe zu „Frischluft“ (in dem Fall trockenere Luft) nachzuführen. Das funktioniert natürlich nur, sofern wir nicht 37°C und 100 % relativ. Luftfeuchte haben ! Treten diese Bedingungen ein, kühlt auch der beste Ventilator nicht mehr. Dies sind zwei Faktoren, die der Legende des Ventilatortods Vorschub leisten würden, wäre unser Körper ein einfacher unbelebter Gegenstand.
Tatsächlich erzeugt unser Körper fortwährend Energie. Ein Mensch (80 kg, 180 cm, männlich) setzt dabei ca. 1860 kcal (7774 kJ) je 24h an Wärme frei1, lediglich durchs faul herum liegen und aufrechterhalten aller lebensnotwendigen Grundfunktionen. Genug Energie um etwas mehr als 3 Liter Wasser zu verdampfen. Das bedeutet also, wir kühlen nicht einfach aus, sondern der Körper hält durch Wärmeerzeugung dagegen ! Wird es zu Kühl wird etwas mehr Wärme produziert, wird es zu Warm wird mehr geschwitzt.
Hitze
Und was ist mit Überhitzung ? Immerhin gibt es ja auch Umluftöfen, die unser Essen besonders effizient garen. Konvektion heißt hier das Zauberwort. Steht die Luft still, dann gibt es zwei Mechanismen, über die Wärme transportiert wird:
- Wärmeleitung: Bekanntermaßen ist Luft ein relativ schlechter Wärmeleiter (deswegen hält der Zwiebellook auch so gut warm !)
- Strahlungswärme: Wie man in einem physikalischen Tabellenwerk nachschlagen kann, ist Wärmestrahlung stark abhängig von der Temperatur (T⁴➞ Temperatur hoch 4 !) und dabei bei erhöhter Zimmertemperatur relativ gering
Effizienter ist es da Wärmeenergie durch einen Strom von heißer Luft zu transportieren. Bei Ober-/Unterhitze müssen wir daher höhere Temperaturen wählen um einen gescheiten Garerfolg zu erzielen, als wenn wir heiße Luft direkt auf unser Gargut pusten. Für den Ventilator bedeutet dies: Solange die Luft kühler als unser Körper ist, besteht keine Gefahr. Bei Temperaturen über 36 °C allerdings beginnt der Ventilator uns Wärme zuzuführen, anstelle zu kühlen. Dies würden wir aber auch merken, da der Kühlungserfolg ausbleibt. Insofern sollte man also tatsächlich mal das Fenster aufmachen, wenn sich der Raum über Tag aufgeheizt hat und den Ventilator am Fenster platzieren, falls sich so kühlere Luft in den Raum blasen lässt.2
In dem Zusammenhang sei noch folgendes zur Verdunstung angemerkt: Wenn der Ventilator uns trockene Luft zuführt, dann führt das auch zu einer erhöhten Verdunstung von Flüssigkeit, sprich: wir trocknen langsam aus. Daher: Immer ausreichend trinken !
Ein Körnchen Wahrheit
Sterben wird man also eher nicht vom Ventilator. Dennoch, Zugluft ist auch nicht gerade ideal. Die verstärkte Abkühlung unseres Körpers kann zu unangenehmen Konsequenzen wie z.B. Muskelverspannungen führen. Auch ist Kälte schlecht, wenn man bereits Viren im Körper hat, die sich dann zu einer soliden Erkältung auswachsen können.
Abseits von gesundheitlichen Effekten, bleibt auch der Umstand, dass der permanente Betrieb eines Ventilators den Stromverbrauch unnötig in die Höhe treibt. Somit ist eine Zeitschaltuhr am Ventilator also dennoch eine sinnvolle Sache.
Ein gewisses Restrisiko bleibt allerdings doch… Nämlich das, was grundsätzlich beim Betrieb eines Elektrogeräts besteht: Kurzschluss, Kabelbrand, Überhitzung… Wenn das Gerät in gutem Zustand ist zwar sehr gering, aber dennoch real.
Wir sehen also, die koreanische Angst vor dem Ventilator ist zwar weitestgehend unbegründet fußt aber doch auf einem Fünkchen Wahrheit.
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Anmerkungen