Akademesisch–Die Sprache der Wissenschaft

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Es folgt ein Beitrag aus den Archiven:

Akademesisch, Fachsprech, Technobabble, Klugschnack und Fachchinesisch… Wenn der Wissenschaftler redet, dann kann das in den Ohren des fachfremden Zuhörers schnell wie gelehrtes Geschwurbel klingen. Und das, obwohl es zu den Kardinaltugenden des Gelehrten gehört sich kurz und präzise zu fassen.

Dennoch, ist der Wissenschaftler auch nur ein Mensch und macht bei Zeiten (so z.B. in Publikationen) mitunter tüchtig Gebrauch vom verbalen Nebelwerfer und Euphemismen. So gesehen muss auch das Fachpublikum beim Auswerten der Literatur manchmal zwischen den Zeilen lesen. Diesen Gedanken hat Jorge Cham, Verfasser des in Doktorandenkreisen hochgeschätzten Comics PhDComics, bereits vor einiger Zeit aufgegriffen und eine Übersetzungshilfe für gängige Phrasen zusammengestellt. Ich habe mir mal erlaubt auch eine entsprechende Zusammenstellung anzufertigen:

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Results were found by careful experimentation” Die wissenschaftliche Methode die sich in diese Worte kleidet nennt sich Trial-and-error-Methode. Oder auch manchmal Discovery-by-serendipity. Heißt im Klartext wir haben einfach mal an den Knöpfen herumgespielt und plötzlich lief es.

“The data agreed quite well with the predicted model” oder in einer deutschen Variante “Die Ergebnisse stehen in guter Übereinstimmung mit den theoretischen Vorhersagen” ist dabei ein alter Klassiker, den jeder Chemiestudent in der physikalischen Chemie schon einmal angewendet hat als es darum ging, solange auf den Berechnungen herumzuhämmern, bis Theorie und Praxis so ungefähr zusammen passen (eben dann wenn man einen Kopfstand macht, die Luft anhält und gleichzeitig dabei schielt).

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“Es ist allgemein/hinlänglich bekannt…” Auch ein Klassiker, der dann zur Anwendung kommt, wenn man etwas behauptet aber gerade zu faul ist die Behauptung mit Literaturquellen zu untermauern. Der Inhalt der Behauptung wird damit als Basiswissen deklariert und jeder der sie in Frage stellt outet sich damit als schlecht informiert. Jedoch aufgemerkt ! Schlampigkeit beim Zitieren gilt in Wissenschaftlerkreisen nicht nur als unfein, sondern hat den einen oder anderen Politiker schon die Doktorarbeit gekostet !

image“The experiment was conducted in a usual manner…” Eigentlich eine Sauerei, bedeutet es doch soviel wie “Den geheimen Trick verrate ich nicht… Viel Spaß beim Nachmachen ihr Luschen”.

 „It is hoped that this study will stimulate further investigation“ Bedeutet soviel wie “Es ist wünschenswert, dass sich jemand mit dem Thema weiter befasst, denn ich selbst habe jetzt von dem Mist genug”

Diese Aussage steht im Übrigen im diametralen Widerspruch zu der Aussage die der große Moses Gomberg, Pionier auf dem Gebiet der Radikalchemie, dereinst anno 1900 etwas schnodderig von sich gab:

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J. Am. Chem. Soc., 1900, 22, 757–771.

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Ber. Dtsch. Chem. Ges. 1900, 33, 1099.

Zugegeben, die deutsche Übersetzung klingt schon um einiges freundlicher… Aber in der englischen Version pflanzt der gute Gomberg einem Goldgräber, der seinen Claim absteckt, gleich, sein Fähnchen auf das Gebiet der Radikalchemie.

Und dann ist da natürlich noch der allgemeine Methodenteil in jeder wissenschaftlicher Arbeit. Sozusagen eine Serviceleistung um der scientific community das nötige Werkzeug aufzuzeigen um die berichteten Ergebnisse zu reproduzieren. Was man doch dort nie liest sind Sachen wie:

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Merke: Unterschätze niemals das nötige Quäntchen Labor-Voodoo… Ein Thema das ich vielleicht auch nochmal gesondert aufgreifen werde…

imageUnd damit ist das Thema noch nicht erschöpft. Da wäre dann noch das sehr reichhaltige Feld der Pseudowissenschaften, die sich gerne in ungeahnte literarische Höhen aufschwingen, wenn sie “Science Fiction” als wissenschaftlich hochkarätigen Hightech verkaufen wollen. Hier helfen oft sogenannte Buzzwords, die, geschickt ausgewählt, sich unglaublich gescheit anhören können. So z.B. folgender Satz der mir heute bei Facebook herein flatterte:

Sine-wave filtered auditory stimulation is carefully designed to encourage maximal orbitofrontal dendritic development…

Orbitofrontal ? Bei dem Wort muss das schon was ganz tolles sein. Orbitofrontal… Das klingt so gut, dass sollte man eigentlich in jedem 2. Satz verwenden. Aber immer dran denken… Nicht zu konkret werden, wenn man sich in den Pseudowissenschaften auf die wissenschaftliche Authorität Anderer beruft… Hinterher wird man auf unbedacht zitierte gedruckte harte Fakten festgenagelt. Daher immer schön vage bleiben:

Neuste wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass…

Null Problem, oder: Auf die richtigen Worte kommt’s an

Wie so oft im Leben heißt es bei Öffentlichkeitsarbeit & PR ganz besonders: „Sag’s mit den richtigen Worten !“ Auf diesem Gebiet hat die Berufsgenossenschaft Rohstoffe & Chemische Industrie (BG RCI) wohl mit ihrem alljährlichen Werbekalender den Vogel abgeschossen. Ganz BG typisch, wirbt dieser Kalender für sicheres Arbeiten & Unfallverhütung. An sich ein lobenswertes Unterfangen. „Vision Zero. Null Unfälle – Gesund arbeiten !“ heißt der Wahlspruch. So weit, so gut, liebe BG RCI. Da bin ich voll auf Eurer Seite. Im Monat Mai ist dies sogar ganz annehmbar umgesetzt: Ein junger, dynamischer Chemiker späht, ganz Sicherheitskonform, durch seine Schutzbrille auf sein Experiment. Überschrift: „Ich steh auf Null… / …weil ich meine Augen noch brauche !“.

Bock auf Null

Doch im August… Hier wird zwar auch für Sicherheit geworben, zur Mitarbeitermotivation trägt das Kalenderblatt aber nicht bei. Ein in einen weißen Schutzanzug gewandeter Arbeiter starrt mißmutig über seine Staubmaske hinweg. Titel des Bildes: „Ich hab’ Bock auf Null.“ Ok, lassen wir das mal als saloppes Wortspiel durchgehen…

Wir schaffen null !

Im September wird sodann nachgelegt mit „Wir schaffen Null !“, was schließlich im Oktober mit „Null geschafft und stolz drauf!“ gipfelt. Kennt man nicht den Hintergrund, fragt sich der unbeteiligte Zuschauer, ob hier für Unfallprävention oder die Olympiade der Drückeberger geworben wird. Provoziert in jedem Fall gerne mal einen flapsigen Kommentar bei vorbeikommenden Kollegen.

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Vielleicht auch nicht gerade der passende Wandschmuck, wenn Geschäftspartner durchs Labor geführt werden. Aus diesem Grunde wurde bereits einmal ein Kalender von unserem Großchef aus dem Labor verbannt und eigenhändig gegen einen unverfänglichen ausgetauscht. Aus diesem Grunde haben wir den BG Kalender erst mal in die Umkleide verbannt. 🙂

(Quelle Bilder: Kalender 2016 by BG RCI)

Cola & Reinheitsgebot

Neulich Abends am Elbufer beim Grillen: Der Eine trinkt Bier, der Andere alkoholfrei eine Cola. Und gerade diese alkoholfreie Alternative ist jüngst unter Beschuss geraten, wie A. hinwies. So hat sich jüngst Stiftung Warentest dem beliebten Gesöff angenommen und mal geguckt, was neben dem oft angeprangerten Zucker so alles drin ist.

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Nun, was ist denn so typischerweise drin ? Schwer zu sagen, denn die Formel nachdem eine Cola hergestellt wird, ist ein Betriebsgeheimnis des jeweiligen Herstellers, allen voran Coca Cola. Viele Versuche wurden unternommen das Geheimnis zu entschlüsseln und diverse Versionen des Rezepts wurden von verschiedenen Leuten enthüllt. Die Art der Zutaten ist mehr oder minder gleich, geheimnisvoll bleibt das genaue Mischungsverhältnis. Als Beispiel soll uns das öffentlich zugängliche Rezept von OpenCola dienen, das als Analogie zu Quellen-offener Software geschaffen wurde:

Flavouring
 10.0 g food-grade gum arabic
 3.50 mL orange oil
 3.00 mL water
 2.75 mL lime oil
 1.25 mL cassia oil
 1.00 mL lemon oil
 1.00 mL nutmeg oil
 0.25 mL coriander oil
 0.25 mL neroli oil
 0.25 mL lavender oil

Concentrate
 2.36 kg plain granulated white table sugar
 2.28 L water
 30.0 mL caramel color
 17.5 mL (3.50 tsp.) 75% phosphoric acid or citric acid
 10.0 mL (2.00 tsp.) flavouring formula
 2.50 mL (0.50 tsp.) caffeine (optional)
 — Lizenz: GNU General Public Licence, OpenCola

Während die Mixtur ziemlich offensichtliche Bestandteile enthält (Zucker, Koffein und Säure), lesen sich die Ingredienzien des Cola Aromas (Flavoring) schon wesentlich spannender, man denkt an Apotheke oder Parfümerie. Wer hätte gedacht das eine Cola auch Lavendel enthalten kann ?

Aber zurück zum Cola-Test. Erstmal: Wer Cola trinkt sollte sich bewusst sein, dass so eine Limo ein gerüttelt Maß an Zucker enthält und das dieser in großen Mengen nicht gesund ist. Daher wirkt es etwas befremdlich, dass Zucker zu Punktabzug im Test führt. Zumal Süßstoffe auch nicht ohne Fehl und Tadel sind.

Jetzt gibt’s Saures

Für mich als Chemiker ist natürlich die Kategorie Chemische Qualität besonders interessant. Nehmen wir zum Beispiel Phosphorsäure… Sollte auch dem Chemie-Laien noch aus dem Chemieunterricht geläufig sein und soll der Cola eine erfrischend säuerliche Note verleihen. Phosphorsäure ist darüber hinaus ja auch als Rostlöser relativ nützlich, vielleicht kann man ja mit Cola auch Metallteile blank putzen ? Wenn man dem Chemie-Didaktiker Prof. Blume glauben schenkt, ist Cola trotz Phosphorsäure eher ungeeignet. Ausnahme: Solche Colas, die auf Zitronensäure setzen ! Ebenso ist auch das Gerücht, Cola könne Fleisch auflösen ein Mythos. Schließlich wäre dann da noch der Vorwurf, das ganze Phosphat würde den Calciumhaushalt stören, sprich letztendlich (besonders bei Frauen) zu spröden Knochen führen. Doch auch dies ist nicht unumstritten, da entsprechende Studien zwar einen Hinweis darauf geben, aber für eine abschließende Bewertung nicht ausreichen. Gesichert gilt lediglich, dass Phosphat schlecht für Leute mit bestehender Nierenerkrankung ist. Also, bis zur endgültigen Klärung der Frage besser mal ein gesundes calciumhaltiges Glas Milch einschieben. 🙂

Koffein macht müde Gesellen munter

Aber wenn ich mich an meine Kindheit erinnere, dann war es nicht der Zucker oder Phosphat, sondern das böse Koffein, vor dem mich meine Mutter gewarnt hat. Deswegen gab es nur zu ausgewählten Anlässen mal eine Büchse mit koffeinfreier Kinder-Cola.

Koffein

Während wohl der typische Koffein-Gehalt der Feld-Wald-und-Wiesen-Cola um die 10 mg/100 mL liegt, gibt es ein paar Marken, die etwas mehr Bums haben: Afri-Cola z.B. schafft 26 mg/100 mL. Aber selbst das ist vergleichsweise zahm, verglichen mit einer Tasse Espresso (40 mg/30mL !) Um das Ganze dann mal in einen gewissen Bezugsrahmen zu stellen: 400 mg / Tag gelten als unbedenklich für den durchschnittlichen Erwachsenen.

Krebserzeugendes Karamell ?

4-Methylimidazol
Eine Vokabel, für die jedoch Klärungsbedarf besteht, ist 4-Methylimidazol (4-MEI). Ein Blick ins Lexikon verrät uns:

 4-Methylimidazol (kurz 4-MEI) ist eine heterocyclische organische Verbindung aus der Gruppe der Imidazole mit der Summenformel C4H6N2. […]
 4-Methylimidazol kann bei Kaninchen, Mäusen und Hühnern Krämpfe auslösen. Des Weiteren konnte bei Ratten und Mäusen eine krebserregende Wirkung festgestellt werden.
 — Quelle: Wikipedia

Das klingt nun wenig appetitlich. Stellt sich also die Frage, wie kommt das Zeug in die Cola ? Übeltäter ist hier das sogenannte Zuckercouleur (E150d, Ammoniumsulfat-Couleur, „caramel coloring“), ein Farbstoff der durch karamellisieren von Zucker entsteht. Karamell entsteht wie jeder weiß, wenn man Zucker in trockenem Zustand auf über 160 °C erhitzt. Zucker wird durch die hohen Temperaturen zersetzt (im Extremfall bis hin zu Kohle) und bildet sowohl größere polymerartige Moleküle (daher auch die zähe Konsistenz von Karamell), als auch kleinere Moleküle, die u.A. den karamellartigen Geschmack erzeugen. Um der dunklen Farbe noch zusätzlich auf die Sprünge zu helfen, gibt man noch Schwefelsäure und Ammoniak hinzu. Gerade das Ammoniak bewirkt nun, dass im Rahmen der Maillard Reaktion auch Stickstoff-haltige Moleküle entstehen, darunter auch unser 4-MEI.

Besagte Studien zur krebserzeugenden Wirkung von 4-MEI in Mäusen, hat nun dazu geführt, dass zumindest in Kalifornien ein strenger Grenzwert definiert wurde. So sind nur 29 µg/Tag zulässig. Dumm nur, dass manche Colas bis zu 700 µg/L (Kaffee sogar 2000 µg/L) enthalten. Da ist man mit einer 0.33 L Dose Cola schon deutlich über dem Grenzwert !

Es sei jedoch angemerkt, dass solche Studien nicht immer so aussagekräftig sind, wie man es idealerweise gerne hätte. So werden die Laborratten häufig ziemlich hohen Dosen ausgesetzt, die so im Alltag nur kaum vorkommen. So argumentiert die amerikanische Lebensmittelsicherheitsbehörde FDA, dass man wohl über 1000 Dosen Cola pro Tag trinken müsste, um sich solchen Mengen an 4-MEI auszusetzen ! Aber der erste Schritt zur 4-MEI freien Cola ist zumindest in Kalifornien schon getan und das ist sicher keine schlechte Entwicklung.

Chlorat – Unkraut-Ex in der Cola ?

Richtig unappetitlich wird’s dann beim Testergebnis von Pepsi Light. Hier will die Stiftung Warentest Chlorat gefunden haben. Und da kommt man schon in arge Erklärungsnöte, dass einem der Cola Ingredienzien zuzuordnen ! So ist Natriumchlorat Hauptbestandteil des Herbizid UnkrautEx gewesen, mit welchem man früher unliebsame Pflanzen einfach „wegoxidiert“ hat. Aber auch in Chlorbleiche findet man den Stoff… Offenbar hat jemand bei Pepsi nach der letzten Grundreinigung nicht gründlich genug nachgespült.

Alkoholfreie Getränke ?

Ebenfalls übelaufgestossen ist auch die Cola eines bekannten Energy Drink Herstellers… Anscheinend ist es auch nicht das erste Mal, dass man ungewöhnliche Inhaltsstoffe in Red Bull Cola findet. 2009 wurde die Cola zum Beispiel wegen angeblichen Kokainspuren aus enthaltenen Kokablatt-Extrakten vom Markt genommen. 2016 ist die Cola zwar Kokain-frei, enthält aber mehr Alkohol als per Gesetzt erlaubt (3 g/L, erlaubt 2 g/L). Ok, das langt noch nicht um sich damit zu betüdeln (ca. 0.38 %Vol), aber dennoch…

Fazit

Wie dem auch sei… Gesünder lebt sicher derjenige, der Cola in Maßen genießt. Ok, die Chlorat-Cola würde ich vielleicht auch komplett vermeiden. Aber man braucht sich sicher keine schlaflosen Nächte machen, nur weil man gerne mal ein Glas Cola trinkt.