Same procedure as every day… Der Wecker klingelt, man wälzt sich aus dem Bett und startet die alltägliche Morgenroutine. Damit man nicht versehentlich im frühmorgendlichen Halbschlaf ins Leere kämmt oder sich versehentlich mit der Zahnbürste ein Auge aussticht, vollführt man diese Verrichtungen vor einem Spiegel. Das Spiegelbild macht ja das Gleiche wie man selbst. Doch halt ! Irgendwas ist hier verkehrt… Ganz das Gleiche ist es nicht: Das Spiegelbild, der Schelm, hält die Zahnbürste in der anderen Hand !
Logischerweise befindet sich in der Welt hinter dem Spiegel alles gegenüber dem ungespiegelten Original: Die Hände mit der Zahnbürste sind augenscheinlich erst mal auf der selben Seite. Doch stellen wir uns vor, dass uns das Spiegelbild durch eine Scheibe anguckt und versetzen uns einmal in seine Rolle, dann hält es die Zahnbürste von seinem Standpunkt aus nicht in der linken, sondern in der Rechten Hand.
Es stellt sich die Frage: Warum vertauscht der Spiegel Rechts und Links, aber nicht Oben und Unten ? Eine Frage, die das sogenannte Spiegelparadoxon aufzeigt.
Wie lässt sich das Ganze erklären ? Nun, wir haben hier kein physikalisches Problem, sondern ein psychologisches. Der Spiegel vertauscht nicht wirklich, er reflektiert. Erst durch die Interpretation des von uns wahrgenommenen Bildes, gewinnen wir den Eindruck der Vertauschung. Bezugspunkt ist dabei die allgegenwärtige Schwerkraft, die den Zusammenhang von Oben und Unten vorgibt. Weswegen wir unterbewusst, wenn wir uns in das Spiegelbild hinein versetzen von einer 180 Grad Drehung um die senkrechte Achse ausgehen. Dies wäre der intuitive Weg „hinter den Spiegel“ zu kommen: Indem wir einfach um die Scheibe herum laufen. Wenden wir uns hingegen aber einfach um und schauen uns eine Person an, die direkt hinter uns steht und uns über die Schulter in den Spiegel blickt, dann sehen wir deren linke Hand natürlich zu unserer Rechten.
Hinten ist Vorne, und Vorne ist Hinten…
Zeigen wir mit dem Finger in eine Richtung (oben/unten, rechts/links) deutet das Spiegelbild in die selbe Richtung. Das es dabei die andere Hand benutzt ignorieren wir mal. Deuten wir jedoch mit unserem Finger in Richtung des Spiegels (also senkrecht zur Spiegelebene), dann weist das Spiegelbild in die entgegengesetzte Richtung. Vorne und Hinten sind also vertauscht.
Hieraus resultiert auch, dass ein Kreisel und sein Spiegelbild sich in gegenläufige Richtungen bewegen. Der Spiegel vertauscht also auch den Drehsinn.
Der Drehsinn der Natur
Nun könnte man dies als nette Denksportaufgabe für Geometriefreaks abhaken, jedoch besitzt das Ganze weitreichende Bedeutung für uns alle: Angefangen vom Hobby-Heimwerker bis hin zur Pharmazie und zu biologischen Prozessen.
In einer idealen Welt wäre alles symmetrisch. Im Spiegel wären Bild und Spiegelbild identisch. Kompliziert wird es, wenn wir asymmetrische Dinge betrachten. Nehmen wir z.B. unsere Hände: Links ist wo der Daumen rechts ist, Rechts dort wo der Daumen links ist. Eine Hand ist spiegelbildlich zur anderen. Greifen wir nach einem runden (symmetrischen) Türknauf, ist es egal mit welcher Hand wir zulangen. Beide können ihn gleichermaßen gut packen. Versuchen wir jedoch einem Mitmenschen die Hand zu schütteln, gelingt dies nur, wenn er uns die selbe Hand reicht: Links zu Links, Rechts zu Rechts. Ergo: Würden wir versuchen unserem Spiegel-Ich die Hand zu reichen, würde dies nicht gelingen, weil die entgegen gestreckten Hände nicht ineinander passen würden (Links ≠ Rechts). Aufgrund des sehr anschaulichen Beispiels mit den Händen, spricht man von diesem Phänomen, wenn Bild und Spiegelbild aufgrund ihres vertauschten Drehsinns nicht deckungsgleich sind, von Chiralität (griechisch χείρ cheir, Hand).
Ein anderes Beispiel ? Schrauben. Diese besitzen ein Gewinde mit einem bestimmten Drehsinn. In ein simples Loch lassen sich alle Schrauben drehen, unabhängig von ihrem Gewinde. Besitzt das Loch jedoch selbst ein Gewinde, passt dort nur eine Schraube mit einem passenden Drehsinn.
Dieser Effekt tritt z.B. bei Molekülen auf, wenn an einem Kohlenstoff vier unterschiedliche Substituenten gebunden sind. Wie eine Schraube können sie in zwei unterschiedlichen Formen (Enantiomeren) auftreten. Ein besonders relevantes Beispiel aus der Natur: Aminosäuren.
Besonders relevant deswegen, weil alle Organismen in der Natur zu einem großen Teil aus Proteinen bestehen, welche wiederum aus Aminosäuren aufgebaut sind. Und eben weil die Aminosäuren mit einem bestimmten Drehsinn auftreten, tragen sie zu einem bestimmten räumlichen Aufbau unserer Proteine bei. Dies führt wiederum dazu, dass bestimmte Proteine wie z.B. Rezeptoren oder Enzyme bevorzugt mit einem bestimmten Enantiomer ihres Zielmoleküls interagieren. Das bedeutet, dass verschiedene Enantiomere eine unterschiedliche biologische Wirkung haben können, wie z.B. einen unterschiedlichen Geschmack, Geruch oder pharmazeutische Wirkung. Ein interessantes Beispiel ist z.B. Carvon, dessen (S)-Enantiomer nach Kümmel und dessen (R)-Enantiomer nach (Krause)Minze riecht.
Während nun dieser Effekt beim Carvon eher eine Frage des persönlichen Geschmacks ist, gibt es Bereiche wie die Entwicklung von pharmazeutischen Wirkstoffen, bei denen ein solcher Unterschied zwischen Enantiomeren durchaus bedeutsam sein kann.
Enantiomere in der Pharmazie
Die meisten chemischen Reaktionen sind ziemlich unselektiv, was Enantiomere angeht. Beide Formen des Zielmoleküls fallen in Form eines 1:1 Gemischs (Racemat) an.
Da sich Wirkstoff und Rezeptor durch ihre dreidimensionale Struktur wie Schlüssel und Schloss zu einander verhalten, ist es also nicht verwunderlich, dass ein Enantiomer (das sog. Eutomer) eine deutlich stärkere Wirkung hervorruft, als das andere Enantiomer (das sog. Distomer). Im einfachsten Fall bedeutet dies, dass ein solches Racemat ein um 50% verdünnter Wirkstoff ist: 10 mg Racemat entsprechen 5 mg reinem Wirkstoff.
Doch gilt es nicht nur die gewünschte Wirkung zu betrachten: Das Distomer kann trotzdem sehr wohl noch Nebenwirkungen auslösen (oder einen gänzlich anderen Rezeptor ansprechen). Es kann also zutreffender sein bei einem Racemat nicht von Verdünnung, sondern von 50% Verunreinigung zu sprechen !
Es gehört daher heutzutage zum Pflichtprogramm bei der Wirkstoffentwicklung sich alle stereoisomere des Pharmazeutikums getrennt auf ihre Eigenschaften zu untersuchen. Die zusätzliche Mühe ein enantiomerenreines Präparat auf den Markt zu bringen kann sich auch lohnen, denn eine besser wirksame oder besser verträgliche Form eines Medikaments (im Vergleich zum Racemat) lässt sich zusätzlich patentieren !
Lange Rede, kurzer Sinn: Auch wenn uns das Spiegelbild im ersten Anschein bis aufs Haar gleicht, so kann es dennoch es faustdick hinter den Ohren haben !
Der spanische Philosoph Miguel de Unamuno y Jugo hat einmal gesagt: „In jedem Ende liegt auch ein neuer Anfang!“Vermutlich ist auch dieser Gedanke Auslöser dafür, dass viele Leute der Silvesternacht und dem Neujahrstag eine solche Bedeutung zumessen. Eine geradezu magische Nacht. Es wird mit dem alten Jahr abgerechnet, die schlechten Dinge (und bösen Geister) sollen im alten Jahr bleiben, während Glück und Wohlstand für das neue Jahr heraufbeschworen werden sollen. Kein Wunder also, dass sich hier allerhand Hocus Pocus eingebürgert hat.
Gut gerutscht ist halb gewonnen
Beginnen wir also, streng chronologisch, mit der Zeit zwischen Weihnachten und Silvester. So gehört es zum guten Ton allen Freunden, Bekannten und Verwandten (oft auch schon in Verbindung mit den Weihnachtsgrüßen, sofern man sich vor Jahreswechsel nicht mehr sehen sollte) einen guten Rutsch ins neue Jahr zu wünschen. Nun findet Silvester ja (auf der Nordhalbkugel zumindest) im Winter statt, da kann es schon mal Glatteis geben; da ist ja bekanntlich gut Rutschen. Doch auch nicht schlimm, wenn der Frost ausbleibt. Denn mit Rutschen hat der Gruß nichts zu tun, der aus dem Jiddischen kommt und eigentlich „Gut Rosch“ lautet, was soviel wie guten Anfang bedeutet. Also ganz ähnlich wie „Prosit Neujahr“, was den lateinischen Wunsch, das es gelingen oder nützen möge beinhaltet.
Ruhetag in der Waschküche
An Silvester nehmen viele Urlaub oder sind noch immer in der Weihnachtspause. Doch nicht nur beruflich, sondern auch im Haushalt tut man gut daran, es ruhig angehen zu lassen: Altem Aberglaube zu folge bringt es Unglück am letzten Tag des Jahres die Wäsche zu waschen. Denn zwischen den Jahren und ganz besonders in der Silvesternacht, die ja bekanntlich die Nacht der Geister ist, herrscht die Zeit der wilden Jagd, die sogenannten Rauhnächte, in der eine Heerschar von gequälten Seelen angeführt von Wotan wild durch die Lüfte braust.
Auch wenn die Geister nicht per se dem Menschen übel gesonnen sind, so ist es dem Glücke sicher nicht zuträglich, wenn sich diese in der zum Trocknen aufgehängten Wäsche verfängt. Das kann dann so unschöne Konsequenzen haben, dass die Geister und Dämonen auf Rache schwören oder gar das Anstoß erregende Wäschestück fortzutragen, um es dem Besitzer dann eines schrecklichen Tages als Leichentuch wieder zu präsentieren. Daher müssen die Laken eben bis ins neue Jahr schmutzig bleiben.
Wer aber dennoch nicht untätig sein will, der bringe vor Mitternacht noch schnell den Müll raus, kehre die Asche aus dem Kamin zusammen und ziehe sich ein neues Hemd an. Alles gute Maßnahmen, damit man keine Altlasten aus dem vergangenen Jahr mitnimmt und einen frischen Start wagen kann.
Überhaupt sind die Rauhnächte eine recht mysteriöse Zeit: z.B. gibt es keine geeignetere Zeit diverse Orakel zu befragen und einen Blick in die Zukunft zu erhaschen. Vermutlich pflegen wir daher noch heute den Brauch der Molybdomantie, des Bleigießens, welches aber bekanntermaßen nicht besonders zuverlässig ist, da nur selten die versammelte Feiergemeinde sich auf eine verbindliche Interpretation der Gussfiguren einigen kann. Benutzt man noch richtiges Blei zum gießen, kann man zumindest festhalten, dass dies der zukünftigen Gesundheit nicht wirklich zuträglich ist.
Besser halten es da die Tschechen, welche die Zukunft lieber aus Äpfeln (gesund und reich an Vitaminen) herauslesen: Der Apfel wird entlang seines Äquators halbiert und die Anordnung der Apfelkerne begutachtet: Sehen wir ein Kreuz ist dies ein böses Omen, sehen wir einen Stern ist das Glück uns im neuen Jahr hold. Verspeist man den Apfel auch noch, ist zumindest nach moderner Lesart eine gute Grundlage für die Gesundheit gelegt, denn Äpfel beinhalten ja bekanntlich viel Vitamine.
Zu Äpfeln passen ja gut Zwiebeln. Begibt man sich nur etwas weiter nach Nord-Westen ins Erzgebirge, so kann man den Zwiebelkalender befragen. Hier wird eine Zwiebel in zwölf Schalen zerlegt, welche sodann mit den Monatsnamen beschriftet und mit Salz bestreut werden. Man lässt die so präparierten Zwiebeln nun, je nachdem, entweder eine Stunde oder gar über nacht liegen. Anschließend kann man an der Menge der angesammelten Feuchtigkeit ablesen, wie regenreich der jeweilige Monat im nächsten Jahr werden wird.
Tiere haben schon immer bei der Zukunftsvorhersage eine Rolle gespielt. Doch man muss nicht unbedingt eine Ziege dafür schlachten: In manchen Silvesternächten können die Tiere im Stall nämlich die menschliche Sprache sprechen und erzählen von der Zukunft. Ob diese jedoch besonders glücklich für den Zuhörer wird, ist fraglich, denn droht ihm der baldige Tod, wenn er die Tiere belauscht hat.
Vom Silvesterschmaus
Über die Auswahl eines trefflichen Weihnachtsfestessens habe ich ja anderweitig bereits berichtet. Doch auch zu Silvester gibt es einiges Wissenswerte zu beachten:
Einerseits ist von Fischgerichten eher abzuraten, da diese Gräten enthalten. Zurück geht dieser Aberglaube auf Papst Silvester (✝︎ 31.12.335), dem wir auch den Namen des letzten Tages eines Jahres zu verdanken haben. Dieser frühe Papst muss wohl eine ganz besondere Aura an sich gehabt haben, denn in seiner Gegenwart ist wohl so mancher Ungläubige an einer Fischgräte erstickt.
Anderseits aber, empfiehlt der Brauchtumsexperte den Verzehr eines Silvesterkarpfens, dessen schillernde, runde Schuppen an glänzende Münzen erinnern sollen und damit als Vorbote für zukünftigen Reichtum dienen sollen. Man bewahre deshalb vorsorglich immer eine Schuppe des Silvesterkarpfens in seinem Geldbeutel auf. Wer aber auf Nummer Sicher gehen will, der kann sich auch stattdessen eine schmackhafte Linsensuppe zubereiten, da die Linsen auch den selben Symbolismus bedienen.
Ebenfalls ist es nicht ratsam, Hühnchen oder anderes Geflügel zu verspeisen. Sagen zumindest die Portugiesen. Das Glück soll schließlich nicht gleichsam eines Vogels davon fliegen.
Schweinefleisch soll gut passen und ein Marzipanschwein ist im deutschsprachigen Raum ein beliebter Gast auf jeder Silvesterparty. Eben das beliebte Glücksschwein, ein Zeichen für Wohlstand und Reichtum, denn der Schinken eines Schweins muss diesem erstmal abgefüttert werden. Und nicht zuletzt brachte das goldene Borstenvieh Gullinborsti vor dem Wagen des nordischen Gottes Freyr Licht in das dunkel der Nacht.
Berliner Pfannkuchen, Silvesterkrapfen, niederländische Oliebollen und ähnliches Schmalzgebäck ist immer eine gute Wahl. Zum Einen weil es gut schmeckt, aber zum anderen, weil obergenannte Geister auch gerne daran naschen, um sich für ihre wilde Jagd zu stärken. Merke: Nur ein wohl genährter Geist ist ein gnädiger Geist. Auch wenn die Dämonen keinen Appetit auf Krapfen haben, kann man das Gebäck noch einem anderen, aus dem britischen Einflussbereich stammenden Gebrauch zuführen. Man wirft einen Kuchen an die Tür des Nachbarn, damit dieser im kommenden Jahr kein Hunger leiden möge.
Natürlich wird um Mitternacht mit auf das neue Jahr angestoßen. In Russland, wo man nicht nur das neue Jahr begrüßt, sondern auch Väterlichen Frost rasch auf einen Sprung vorbei kommt, um noch die Weihnachtsgeschenke vorbei zu bringen, wird der Sekt noch zusätzlich verfeinert: Man schreibt die Wünsche für das neue Jahr auf einen Zettel, der sodann verbrannt wird, um die resultierende Asche mit dem Sekt zu vermischen, welches dann bis Mitternacht ausgetrunken werden muss.
Der abergläubische Spanier verzichtet auf die Asche, nimmt zusätzlich aber ein Paar Weintrauben zu sich. Genau 12 Stück, zu jedem Glockenschlag eine. Doch aufgepasst: Wer nicht schnell genug ist, sich verschluckt oder gar verzählt, dem droht Unglück. Daher gibt es die Trauben schon verzehrfertig in der passenden Anzahl fertig abgepackt zu kaufen. Wem es jedoch gelingt, der darf sich für das neue Jahr etwas wünschen.
Eine Chance für die Liebe
Wer zum Jahreswechsel kräftig feiert kann sich auch entsprechend in Schale werfen. Wir erinnern uns: ein neues Hemd tragen ! Darüber hinaus empfiehlt es sich unter Ballkleid oder Frack einen roten Schlüpfer anzuziehen. Schon die alten Römer wussten: Rote Unterwäsche bringt Glück. Dem zur Folge ist es nicht überraschend, dass die Italiener bis heute daran festhalten. Aber auch in anderen (romanisch sprachigen) Ländern glaubt man an den Effekt. Die Brasilianer, z.B. glauben, dass sich dem Träger von roter Unterwäsche im neuen Jahr die große Liebe offenbaren wird.
Doch Vorsicht: Wie bei allem Hokus Pokus gibt es auch hier einige Regeln zu beachten: Die rote Unterwäsche muss geschenkt UND neu sein ! UND darf nur einmal getragen werden, damit die Magie funktioniert.
Vielleicht gibt es die rote Unterwäsche auch mit warmem Innenfutter, denn in den Rauhnächten bietet sich unverheirateten Frauen die Chance um Mitternacht eine Wegkreuzung oder einen ähnlich magischen Ort aufzusuchen. Dort soll dann ein Phantombild ihres zukünftigen Ehegatten erscheinen, welches geschwind und schweigend vorüber schreitet. Getreu der Sage von Orpheus in der Unterwelt ist es jedoch nicht gestattet das Phantom anzusprechen oder sich umzuwenden und hinterher zu blicken, weil dies fatale Folgen nach sich ziehen könnte. (Überliefert aus Wales & Schottland)
Schluss mit Stille Nacht…
Von den Geistern in der Silvesternacht haben wir ja schon gehört. Nachdem man dafür gesorgt hatte, dass etwaige Fluchtwege nicht durch Wäsche zugehängt sind, konnte man sich nun eher aktiv darum kümmern die üblen Geister und Dämonen zu vertreiben. Heute machen wir dies gerne mit Feuerwerk und Böllern. Die Niederländer treiben den Spass noch eine Stufe weiter, indem sie teilweise nicht nur käufliches Feuerwerk abbrennen, sondern ein Carbid-Schießen zu veranstalten.
Hier zu wird Calciumcarbid, welches normalerweise als Brennstoff für Carbidlaternen oder als Maulwurfsbekämpfungsmittel verwendet wird, mit einer geringen Menge Wasser in eine leere Milchkanne eingebracht. Diese wird dann mit einem Ball oder einem Deckel verschlossen. Carbid setzt in Verbindung mit Wasser das hochbrennbare Gas Acetylen frei, welches dann durch ein kleines Zündloch in der Kanne entzündet wird. Das dies ein recht gefährliches Unterfangen ist, kann man sich leicht vorstellen: Entsteht zu wenig Acetylen oder zündet man zu früh gibt es eine Stichflamme. Nimmt man zuviel Carbid, kann die Kanne wie eine Bombe explodieren. Ferner kann man auch mit dem Deckel versehentlich Leute in der Schussbahn abschiessen. Oder der Rückstoss schleudert die Kanne gegen den Schützen. Kein Wunder also, dass die Niederlande diesen Brauch mittlerweile streng reglementieren.
Auch im 19. Jahrhundert wurden die offenbar recht geräuschempfindlichen Geister mit Lärm vertrieben, jedoch indem man alle Kirchenglocken läuten ließ. Das alte Jahr ausläuten und das neue Jahr einläuten. Das soll es auch heute noch geben, jedoch hört man dies vor lauter Feuerwerk kaum. Da bietet das Jahr 2020 ja eine ganz besondere Chance die Glocken entsprechend in Szene zu setzen: Feuerwerk ist vielerorts verboten, Versammeln in großer Zahl sollte man sich auch nicht… Also alles ideal für ein Glockengeläut, das sowohl effektvoll ist, als auch aufgrund seiner akustischen Natur auch ohne direkte Sichtlinie von daheim genossen werden kann. So z.B. in Münster, Ettlingen, und noch einigen anderen Orten in Deutschland, wo dieses Jahr um Mitternacht alle Glocken für 20 Minuten läuten sollen.
Im Allgäu greift man auch, wen wundert’s, gerne zur etwas kleineren Kuhglocke. Auch eine nette Aktion, wenn auch nicht ganz unproblematisch: Da in Bayern zur Zeit ab 21 Uhr Ausgangssperren in Kraft sind, kann man wohl nur auf dem eigenen Grundstück läuten. Ebenso verbietet es sich auch das Läuten nach Ablauf der Sperre, da Kuhgeläut auch zu Neujahr um 5 Uhr morgens als nächtliche Ruhestörung zu werten ist.
Im Norddeutschen zieht man stattdessen mit dem Rummelpott um die Häuser. Mit diesem auch Brummtopf genannten „Instrument“ zieht man dort seit alters her durch die Nachbarschaft, singt launige Lieder und erbittet sich eine milde Gabe in Form von Back- und Naschwerk für die Kleinen und einen Schnaps für die Großen. Ein Prozedere, welches dem Martinssingen im Rheinland recht ähnlich ist. Der polternde Rummelpott dient dabei nicht nur der rythmischen Untermalung des Gesangs, sondern soll auch die bösen Geister der Rauhnächte vertreiben,
Prosit Neujahr
Der Neujahrstag dann hat auch seine besondere Bedeutung. Von christlich-jüdischem Standpunkt, ist der Oktavtag von Weihnachten (8 Tage nach Heiligabend, der 1. Januar) der Beschneidungstag Jesu Christi. Den meisten Gläubigen kann dies aber relativ egal sein, da dieses Fest mittlerweile aus den Statuten der Kirche gestrichen wurde. Mag vielleicht auch damit zusammenhängen, dass die über Jahrhunderte als Reliquie verehrte heilige Vorhaut in den Wirren der Historie verschwunden ist. Allerdings sei auch angemerkt, dass Jesus wohl mehrere Vorhäute gehabt haben muss, gemessen daran, wieviele entsprechende Reliquien es gegeben hat.
Komm rein, bring Glück herein
Aber kommen wir nochmal auf das bereits oben beschworene Liebesglück zurück. Auch wenn man im viktorianischen England recht abergläubisch war, so ging man in Sachen Liebe im neuen Jahr doch recht pragmatisch vor. Getreu der Maxime mit Vergangenem abzuschliessen und einen neuen Start zu wagen, öffneten wohlhabende Haushalte ihre Türen für Bekannten und sozialen Kontakte, um offene gesellschaftliche Verpflichtungen gerade zu rücken. Besucher zum neuen Jahr waren willkommen und bekamen mindestens einen Drink, wenn nicht auch einen Snack offeriert. Gerade Junggesellen in heiratsfähigem Alter bot dies die Gelegenheit den unvermählten Töchtern des Hauses ihre Aufwartung zu machen und sich für eine Beziehungsanbahnung zu empfehlen. Manche Anwärter besuchten so über 30 Häuser; der Vergleich mit dem heutigen Speed Dating ist also gar nicht mal so abwegig.
Eine besondere Bedeutung kam dem ersten Besucher, dessen Fuss im neuen Jahr die Schwelle des Hauses überschritt, zu. Bei diesem „First Footing“ wurde traditioneller Weise Brot, Salz, Kohle, Whisky oder grüne Pflanzen (oder ähnliche Symbole für Wohlstand) als Geschenk dargebracht werden. An den ideale First-Footer wurden auch entsprechende idealtypische Anforderungen gestellt: Als besonders glücklich galt der Besuch eines dunklen, großen und wohlgestalten Mannes. Der nordische blonde oder rothaarige Typ war eher ein unglückliches Omen. Revanchistische Gedanken an historische Wikinger Invasoren auf den britischen Inseln ? Wir wissen es nicht. In Schweden ist es jedenfalls genau umgekehrt.
Der Pfarrer oder der Onkel Doktor waren ferner auch schlechte First Footer, da diese mit Krankheit und Beerdigung in Verbindung gebracht wurden.
Frohes neues Jahr
Hoffen wir also, dass die verehrte Leserschaft gut ins neue Jahr gekommen ist und im neuen Jahr keinen Katzenjammer auskurieren muss.
Wenn man so wie ich sich jenseits der 30 bewegt, kommt man nicht umhin festzustellen, dass im Bekanntenkreis nicht wenige Nachwuchs bekommen haben. Und trudelt mal wieder die frohe Kunde eines neuen Erdenbürgers ein, dann ist die Frage nach dem Vornamen immer eine interessante. Denn was den Eltern als schön und als Ausdruck von Individualität und der Einzigartigkeit ihres Kindes gilt, kann in den Augen Anderer merkwürdig erscheinen und dem Kind, welches immerhin fortan damit leben muss, für Verdruss sorgen.
Gar nicht lange ist es z.B. ist es her, dass im Dresdner Diakonissenkrankenhaus ein kleiner Junge zur Welt kam, dessen Name in der Neugeborenen-Galerie des Krankenhauses als Sturmhorst Siegbald Torsten ausgewiesen war. Und da der Name oft Programm ist, entfesselte der Vorname Sturmhorst einen wahren Sturm der Entrüstung. Auch als sich dann herausstellte, dass dies nur ein Schreibfehler und der korrekte Name Sturmhart heißen müsse, war die Aufregung ungebrochen. Es wurde nicht nur diskutiert, ob Sturmhorst ein real existierender Name, sondern auch, ob dieser tatsächlich eintragungsfähig sei. Denn man darf zu Schutze des Kindes selbigem nicht jeden X-beliebigen Namen geben: Es müssen diverse Kriterien erfüllt sein, darunter auch das dem Namen eine negative Konnotation anhaftet oder den Träger der Lächerlichkeit preisgibt.
Ob Sturmhorst bzw. Sturmhart nun ein realer Vorname ist oder nicht, war Nebensache, denn die Kombination aus Sturm und Sieg, legte den Verdacht nahe, dass die Eltern wohl Anhänger einer ewig gestrigen Ideologie seien. (Was diese natürlich abstritten).
M/W/D ?
Bei der sorgfältigen Auswahl des Vornamens, stellt sich natürlich zunächst die Frage, welchen Geschlechts das Kind ist. Klingt erstmal logisch. Für viele Vornamen gibt es dementsprechend auch eine weibliche oder eine männliche Form, z.B. Petra und Peter. Komplizierter wird es dann mit Namen wie Kim oder Kai. Moment wird sich jetzt mancher denken: Ein Mädchen namens Kai ? Jep, das gibt’s: Kai (oder Kaia) ist die nordische Kurzform von Katharina. Oder nehmen wir Andrea… Im Deutschen eher ein Mädchenname, in Italien aber durchaus auch für Männer beliebt (z.B. Andrea Bocelli) Bis 2008 war dies tatsächlich ein Problem, da sich das Geschlecht des Trägers im Vornamen wiederspiegeln sollte. Ausweg: Vergabe eines zweiten Vornamens mit eindeutiger Zuordnung, z.B. Kai-Uwe. Nun, mittlerweile bedarf es ohnehin einer etwas flexibler Lösung, um auch alle Optionen einer nicht-binären Geschlechtsidentität entsprechend Sorge zu tragen.
Der Hauch des Bösen
Wie bereits im eingangs erwähnten Beispiel darf der Name den Träger nicht dem Spott Anderer aussetzen oder einen Bezug zum Bösen haben: Judas oder Kain, Namen zweier biblischer Bösewichter sind Tabu. Was ist also mit dem Namen Adolf ? Immerhin haben Träger dieses Namens einen doch recht blutrünstigen historischen Namensvetter, einen gewissen Adolf Hitler, der einige Millionen Menschen auf dem Gewissen hat. Aber es gibt auch positive Beispiele wie z.B. Adolf Kolping, Vater der katholischen Arbeiterbewegung. Der Name ist tatsächlich derartig zwiespältig, dass sich das Theaterstück Der Vorname von de la Patellière und Delaporte mit dieser Problematik befasst (2x verfilmt, Film & Theaterstück sehenswert!). Tatsächlich ist der Name abhängig von der Motivation der Eltern ggf. Eintragungsfähig.
Ein weiteres, allerdings weniger drastisches Beispiel: Ein Kollege, jüdischen Glaubens, dachte bei der Suche nach einem Namen für seinen Sohn über biblische Namen im weiteren Sinne nach. Dabei gefiel ihm Azrael recht gut. Bis man ihn darauf hinwies, dass Gargamels Kater bei den Schlümpfen diesen Namen trägt und auch wenn er diese Comicfigur nicht kennt, die Kinder im Kindergarten jedoch sehr wohl.
Du sollst den Namen Gottes nicht leichtfertig nennen
Und wenn wir schon bei der Bibel sind: Der Name darf keine religiöse Gefühle verletzen. Während Jesus oder Christos im Mittelmeer-Raum bei gläubigen Leuten recht beliebte Namen sind, sind diese in Deutschland nicht zulässig. Anderes Beispiel gefällig ? „Frieden Mit Gott Allein Durch Jesus Christus“ ist in christlichen Kreisen Südafrikas durchaus gebräuchlich in Deutschland ist dies jedoch nicht möglich. Missioniert wird hier nur in der Kirche.
Multifunktionsnamen ?
Ferner: Der Vorname darf kein Familienname sein. Umgekehrt ist dies allerdings kein Problem. Beispiel: Der bayrische Innenminister Joachim Hermann.1 Titel und akademische Grade sind auch keine Vornamen: Prinzessin, Lord, Doktor oder ähnliches muß man sich verdienen oder zumindest ererben.
Die Qual der Wahl
Peter oder Paul ? Wer sich nicht entscheiden kann, der nimmt eben beide, denn mehrere Vornamen sind erlaubt und in manchen Kreisen durchaus üblich, z.B. im Adel (Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Buhl-Freiherr von und zu Guttenberg) oder im US-amerikanischen Raum als middle name. Beliebt ist hier in Verneigung vor den Ahnen, die Namen verblichener Vorfahren zu vergeben.
So trage auch ich einen zweiten Vornamen, zum Einen zu Ehren meines Urgroßvaters väterlicherseits und zum Anderen, weil man Vater sich gewünscht hat, dass ich mal Wissenschaftler werde und da sieht ein zweiter Vorname auf einer Publikation eben gut aus.
Entgegen populärer Annahme ist nicht automatisch der erste Vorname auch der Rufname; überhaupt muss man sich streng genommen auch nicht mehr auf einen Rufnamen festlegen. Der Namensträger kann sich aussuchen welchen seiner Namen er führen möchte.
Aber, bei aller Flexibilität soll man es mit der Namensvergabe auch nicht übertreiben. Während der oben genannte Herr zu Gutenberg als Angehöriger des Adels wohl gewisse Privilegien genießt (immerhin 10 Vornamen), kann das Standesamt auch beschließen, dass z.B. 12(!) Vornamen einfach zuviel sind. So z.B. geschehen im Jahr 2004: So sollte das Kind die Namen Chenekwahow Tecumseh Migiskau Kioma Ernesto Inti Prithibi Pathar Chajara Majim Henriko Alessandro erhalten, wogegen sich das Amt sperrte. Langer Rede kurzer Sinn, das Bundesverfassungsgericht wurde angerufen und gab dem Standesamt Recht, so dass die Namen Chenekwahow Tecumseh Migiskau Ernesto letzen Endes ausreichen mussten.
Kreativität in der Rechtschreibung
Nun gibt es bestimmte Vornamen auch in verschiedenen Schreibarten. Klassisches Beispiel: Thorsten oder Torsten, Günter oder Günther, Karla oder Carla bzw. besonders variantenreich Helmut, Hellmut, Helmuth oder Hellmuth… Vielleicht nicht gerade optimal, da der Namensträger seinen Vornamen mitunter in der falschen Schreibweise lesen wird, aber na gut.
Grundsätzlich besteht diese Problematik besonders bei nicht-deutschen Vornamen. Eine Jenny (Kurzform von Jennifer) hat es vielleicht noch einfach, da der Name auch in Deutschland recht verbreitet ist. Eine gesprochene Dschenni wird somit also fast immer auch als Jenny geschrieben. Umgekehrt kann allerdings auch ein Problem sein: Einer meiner Geschichtslehrer auf dem Gymnasium war nicht davon zu überzeugen, dass die Mitschülerin Jenny eine Dschenni und nicht eine deutsch betonte Ienni ist.
Um dieser Problematik aus dem Weg zu gehen verwenden nun manche Eltern Bauernschläue: Frei nach Altbundeskanzler Kohl wird alles so geschrieben wie man es spricht. Ergo: Aus einem Jonathan wird ein Jonesen, eine Michelle wird zu Mischell und bei der Schreibweise Theiler kann man nur mutmaßen, dass es sich um eine Transkription des englischen Tyler handelt.
Klingt komisch und ist auch komisch. Ein Fall aber möchte ich aber als legitim betrachten, da es mich als gebürtigem Rheinländer irgendwie anspricht: Irgendwo in Deutschland läuft ein Junge mit dem Namen Üffes durch die Gegend ! Klingt wie ein Ur-Kölscher/Ur-Rheinländischer Name, ist aber nur eine extrem seltsame Verschriftlichung des französischen Namens Yves. Logischer wäre mir da noch, ganz nach Hans-Werner Olm, der Name Iff erschienen. Aber egal… Daumen hoch für Üffes.
Schräge Vornamen
Schließlich gibt es noch Namen, da kann man sich nur wundern. Im Internet finden sich ganze Listen von merkwürdigen Namen inklusive einer Referenz zu Gerichtsurteilen, die Aufschluss darüber geben, ob der jeweilige Name tatsächlich eintragungsfähig ist und die als Nachweis dienen mögen, dass ich hier keine Märchen erzähle:
Mein absoluter Favorit ist ein Fall aus dem Jahr 1964. Also in einer Zeit als die Atomkraft noch als Zukunftstechnologie ein gewisses Ansehen genoß. Vermutlich in der Annahme, dass der Segen der Hochtechnologie auch auf den Sohnemann abfärben möge, im Sinne einer friedlichen Nutzung der Atomkraft, wollten Eltern ihren Filius Atomfried nennen, welches jedoch vom Amtsgericht Hamburg verhindert wurde. Angeblich ist der weitaus positivere Name Solarfried wieder eintragungsfähig, was letztendlich die Frage aufwirft, wie wohl der Status von Gasfried, Ölfried oder ähnlichem ist.
Andernorts war sich ein Ehepaar wohl des Schabernacks bewußt, den sie ihrem Nachwuchs angedeihen lassen wollten und realisierten ihren Wunsch durch geschickte Tarnung ihr Kind nach ihrer mutmaßlichen Lieblingsspeise zu benennen: Obwohl Matt-Eagle in den USA wahrscheinlich ein legitimer Name wäre (Matt kurz für Matthew und Eagle wie der amerikanische Wappenvogel), klingt das in Deutschland viel zu sehr nach Mettigel.
Bleiben wir bei der Thematik Vornamen und Essen… Nicht erlaubt (und das zurecht) sind Joghurt, Whiskey und Pfefferminza. Alles klar, sind ja Lebensmittel und keine Namen. Beruft man sich aber auf Pippilotta Viktualia Rollgardina Schokominza Efraimstochter Langstrumpf (oder kurz: Pippi Langstrumpf), ist Schokominza wieder möglich.
Imposante Vornamen, welche die Eigenschaften ihrer Träger beschreiben finden sich auch bei Asterix. Eine der bekannteren Nebenakteure dieses Comics ist der Fischhändler Verleihnix. Wenn auch im Comic eine lustige Bereicherung, ist dies kein legitimer Vorname. Ganz im Gegensatz zu Pumuckl (vermutlich ist der kleine Bub rothaarig)
Der Trend geht zum Zweitnamen
Aber man kann auch eine weniger permanente Lösung wählen: Nicht wenige tragen neben ihrem bürgerlichen Namen mehr oder weniger freiwillig noch einen Spitznamen (Nickname, Sobriquet, Pseudonym o.Ä.). Während der Taufname ja früher auch den Wunsch beinhaltete eine bestimmte positive Eigenschaft auf den Träger zu übertragen, verhält es sich bei dem Spitzname umgekehrt: Hier steht eine Eigenschaft des Trägers Pate für den Spitznamen, etwa das rote Haar bei obergenanntem Pumuckl. Auch beliebt: Verkürzung oder Verballhornung des wirklichen Namens: So wird z.B. aus dem Familiennamen Schmitt etwa Schmitti.
Positiv ist, dass dieser eher witzig gemeinte Name nicht irgendwo festgeschrieben ist, sondern nur mündlich überliefert wird und auch teilweise nur auf einen bestimmten Kreis von Personen limitiert ist. So kann der Fußballkumpel Atze im Berufsleben tatsächlich ein Herr Dr. Schröder sein.
Mitunter ist der Name dem Träger noch nicht einmal bekannt, da er spöttischer Natur ist und nur in Abwesenheit verwendet wird. Etwa bei Schülern über Ihren unbeliebten Lehrer. So etwa im Falle einer Grundschullehrerin meiner Schwester: Frau Krosch, der Suppenfrosch.
Anderes Beispiel ? Eine Kommilitonin an der Uni, die sich gerne Kulis ausgeliehen hat, diese aber nie zurück brachte, hatte von einem Kollegen flux den Spitznamen „Schnorro“ verliehen bekommen.
Ebenfalls verbreitete Praxis und nahezu unvermeidlich war dies in alter Zeit bei Königen und Fürsten, wie man sich recht einfach am Dresdner Fürstenzug vor Augen führen kann: Heinrich der Erlauchte, Friedrich der Gebissene, Dietrich der Bedrängte… Kein Wunder, Familiennamen waren im Mittelalter noch nicht in Mode und so bot es sich eben an, einem Friedrich von Sachsen, der besseren Unterscheidung wegen, entsprechend eines denkwürdigen Umstands in seinem Leben den Beinamen „der Gebissene“ zu verleihen.
Der Übergang zu politischen Führer, Potentaten und Revolutionären jüngerer Geschichte ist fließend: Nehmen wir zum Beispiel einen gewissen Wladimir Iljitsch Uljanow oder einen Jossi Wissarionowitsch Dschughaschvili, die sich einen nom de guerre oder Kampfnamen wählten und damit als Lenin („der von der Lena“) und Stalin („der Stählerne“) in die Geschichtsbücher eingingen. Apropos, kennen sie einen Herbert Ernst Karl Frahm? Dies ist niemand geringeres als der vierte deutsche Bundeskanzler Willy Brandt, der im norwegischen Exil 1933 seinen bürgerlichen Namen ablegte, um fortan unter seinem Kampfnamen im Untergrund gegen die Nazis zu kämpfen.
Theorie und Praxis
Doch wie fühlt man sich tatsächlich mit einem ungewöhnlichen Namen ? Ich bin mit meinem kurzen, prägnanten und gar nicht so seltenen Namen sehr zufrieden. Ich kann also nur mutmaßen, wie man sich mit übermäßig kreativen Eltern fühlt… Um dies zu ergründen empfiehlt sich die Lektüre folgenden Artikels aus Der Welt: „Ich fühle mich sehr wohl als Pepsi-Carola“
Hier wurden Pepsi-Carola Krohn, Winnetou Kampmann und Philipp Pumuckl Heßler nach ihren Erfahrungen gefragt. Durchweg positiv wurden ihre Erlebnisse geschildert. Erstere genoß als lebende Reklame materielle Zuwendungen durch den gleichnamigen Getränkehersteller, Herr Kampmann vererbte den Namen sogar an seinen Sohn weiter und Herr Heßler blickt positiv auf seine Kindheit zurück, als jeder gerne mit dem Pumuckl spielen wollte.
Wie dem auch sei
Wir sehen, ein ungewöhnlicher Name kann sowohl Freud, als auch Leid sein. In jedem Fall bleibt eine solche Person namentlich sicherlich gut im Gedächtnis. Dennoch, nicht alles was möglich und oder erlaubt ist sollte man auch tatsächlich tun. Einen kreativen Spitz- oder Kampfnamen kann man sich jederzeit selbst wählen, ganz flexibel und passend zum Anlass.
Oder mein Kollege D.W., der auch den Künstlername Kaiser Wilhelm III. besitzt. An dieser Stelle einen schönen Gruß ! ↩
Wie unter alten Kriegsveteranen, ist es auch bei Chemikern, wenn sie beisammensitzen nicht unüblich in der Vergangenheit zu schwelgen und Annekdoten und „Kriegsgeschichten“ aus der Laborausbildung während des Studiums auszutauschen. Und so kam mir gestern, als ich mit einem Kollgen bei einem Eis in der Sonne saß folgende Geschichte wieder in den Sinn:
Ein Studienkollege pflegte mal zu sagen: “Ich bin organischer Chemiker ! Ich kann machen, dass Luft stinkt” In der Tat hat die organische Chemie eine Mannigfaltigkeit von Gerüchen – vom himmlischen Wohlgeruch bis zum übelsten Höllenodem – im Repertoir.
Schon die Praktikanten im chemischen Nebenfachpraktikum stellen Birnenester her (oder auf chemisch: iso-Amylacetat), dessen Geruch irgendwo zwischen extrem künstlichen Birnenaroma marke Fruchtzwerg und Eisbonbons angesiedelt ist. Auch beliebt: Ethylbutyrat… Riecht fast authentisch nach Ananas. Doch entfernen sie mal den Alkohol aus den Estern… Was übrig bleibt riecht nicht mehr lecker. Spaltet man das Ethylbutyrat, erhält man Ethylalkohol (geruchlich ja ganz ok) und eben Buttersäure, welche unsere olfaktorischen Rezeptoren mit dem Aroma von frisch Erbrochenen umschmeichelt. Einen Kohlenstoff wenig und wir erhalten Propionsäure… Eine tragende Geruchskomponente von überreifem Käse und Schweißfüßen. Nicht schön, aber noch harmlos.
Ein Hauch von Schwefel liegt in der Luft
Mehr Bumms hat da schon die Schwefelchemie. Ein Umstand, der selbst einem Chemie-Laien bekannt sein dürfte… Knoblauch… Zwiebel… Alles Düfte, die sich der Macht des Schwefels bedienen. Ein Geschickter Kunstgriff von Mutter Natur um sich Fraßfeinde vom Leibe zu halten. Sobald man Knobi und Zwiebel mit Zähnen oder Messer zu Leibe rückt, wird eine geruchslose, aber dennoch schwefelhaltige, Aminosäure gespalten und es entsteht ein Aroma, dass einem die Tränen in die Augen treibt.
Glücklicherweise habe ich beruflich nur noch wenig mit Schwefelchemie zu tun. Doch als Praktikant hatte ich mal das zweifelhafte Vergnügen ein Sulfid als Liganden für einen Metallkomplex basteln zu dürfen. Für den Laien: Sulfide sind Stoffe, die sich vom Schwefelwasserstoff, einem Fäulnisgas mit dem Geruch von faulen Eiern, ableitet und die Aromapalette von gekochtem Kohl, faulen Eiern und Knoblauch abdecken.
Trotz höchster Vorsicht und Benutzens zweier Lagen Handschuhe damals, haben meine Hände intensiv nach zu lange gekochtem Kohl gestunken. Konsequenz: Wo man hinkommt, wird sofort ein Platz frei und die eigene Freundin verweigert einem den Begrüßungskuss und verbannt einen auf das Sofa am anderen Ende des Raums. Ja, Schwefelchemie kann einsam machen.
Vielleicht hat es deswegen auch fast 100 Jahre gedauert, bis die Inhaltsstoffe des Stinktiersekrets vollständig analysiert waren: Kaum hatte sich ein wagemutiger und vermutlich auch schwer verschnupfter Chemiker daran gegeben, die Emissionen des Stinktiers genauer unter die Lupe zu nehmen, kam es nicht selten vor, dass dieser von seinem beruflichen Umfeld (teilweise unter Gewaltandrohung) dazu genötigt wurde, dieses übelriechende Projekt wieder zu stoppen.
Schlimmer geht immer…
Die absolute Pole-Position in der Kategorie Superstinker (zumindest in meinen Augen) belegt aber eine ganz andere Geruchsnote. Isocyanide… Die ungeliebten Geschwister der Cyanide (Derivate der Blausäure, giftig aber von erträglichem Geruch). Schwer zu beschreiben wonach Isocyanide riechen… Ein absolut durchdringender, fremdartiger und ultimativ widerwärtiger Gestank. Cyclohexylisocyanid… Das war das einzige Mal, dass ich wegen eines Geruchs das Labor fluchtartig verlassen musste, weil ich sonst in den Abzug gekotzt hätte. Guter Grund also diesen Mief zu meiden und jegliche Arbeit damit kategorisch zu verweigern. Sehr zu meinem Leidwesen holte mich der Superstinker jedoch wieder ein: Während meiner PostDoc Zeit musste ausgerechnet mein direkter Labornachbar diese Stinkbombe zu seinem Lieblingsreagenz machen, wodurch mir sicherlich so manche ungeplante Kaffeepause beschert wurde, um die Zeit auszusitzen bis das Isocyanid sich wieder verduftet hatte.
Und meine Abneigung ist sicherlich nicht unbegründet: So schreibt ein Geruchs- und Aromaexperte darüber folgendes:
[Isonitriles] are just the Godzilla of smells, you can’t believe how awful they smell, they make you vomit your guts out instantly.
aus: C. Burr, The Emperor of Scent: A Story of Perfume, Obsession, and the Last Mystery of the Senses
Wir sehen also, nichts womit man sich bei seinen lieben Labornachbarn Freunde macht. Kein Wunder, dass manche Leute es deswegen vorziehen, dieses Teufelszeug Sonntags zu destillieren, wenn sonst niemand im Labor ist. Noch drastischer werden die olfaktorischen Qualitäten dieser Superstinker von Davis und Yelland schon im Jahre 1937 beschrieben:
n-Butyl isocyanide proved to be so disagreeable to manipulate that none of its physical constants except boiling point were determined. Even when a hood with an extra forced draft was used, the odor pervaded the laboratory and adjoining rooms, deadening the sense of smell and producing in the operator, and in others, severe headaches and nausea which usually persisted for several days.
— Davis & Yelland J. Am. Chem. Soc. 1937, 59, 1998.
n-Butyl, eine Kette von vier Kohlenstoffen, das scheint eine ideale Grundlage in Sachen Gestank zu sein. Denn neben dem üblen Aroma, macht erst ein entsprechendes Ausbreitungsverhalten aus einem üblen Geruch einen wahren Superstinker. Eine infernalische Geruchsnote wird erst richtig heimtückisch, wenn diese über ein optimales Verhältnis von Flüchtigkeit und Persistenz verfügt. Kleine organische Moleküle sind leicht flüchtig… Bedeutet: Werden sie freigesetzt, verbreiten sie sich relativ schnell und verpesten die ganze Umgebung, oder in anderen Worten: ein Tropfen und die ganze Bude stinkt. Das hat allerdings auch Vorteile… Nach kurzem, aber intensivem Gestank, bleibt dieser nicht lange bestehen, weil er relativ schnell verfliegt. Größere Moleküle haben hingegen die umgekehrte Eigenschaft: Sie verdunsten zwar nicht so schnell und sind nur in der direkten Nachbarschaft der Quelle intensiv zu riechen, sind aber ziemlich hartnäckig, so dass man recht lange noch „Freude“ an ihnen hat. Hat man sie einmal in der Nase, wird man den Geruch auch bei reichlicher Frischluftzufuhr nicht so schnell wieder los. Hier besitzt der Butylrest (C4) das beste von beiden Eigenschaften… Flüchtig genug um zu stinken wie ein ganz Großer und in dieser Eigenschaft sehr ausdauernd.
Nach dem ich den Welttag des Schneemanns hier bereits ausführlich besprochen habe, möchte ich den heutige Beitrag der allseits beliebten Space Opera Star Wars aka dem Krieg der Sterne widmen, da heute am 4. Mai der Star Wars Day ist. Falls Sie es nicht schon aus der Überschrift erraten haben: Das Datum auf Englisch (May, the 4th) ist ein Wortspiel auf das bekannte Film Zitat „May the Force be with you“ (Möge die Macht mit dir sein).
Obwohl der erste Krieg der Sterne Film schon 1977 in die Kinos kam, wurde der erste Star Wars Day erst 2011 zelebriert. Erst als lokales ein lokales Event in einem Kino in Toronto mit Film-Marathon, Kostümwettbewerb und einer Kurzfilm Revue, mittlerweile als Event aller Star Wars Fans weltweit.
Übrigens, das Wortspiel existiert schon länger als der Star Wars Day. Als Margaret Thatcher, die Eiserne Lady, am 4. Mai 1979 den Posten der britischen Premierministerin antrat, ließ ihre Partei in den London Evening News die folgende Zeile drucken: „May the fourth be with you, Maggie. Congratulations.“ (zu deutsch: „Möge der vierte (Mai) mit dir sein, Maggie. Herzlichen Glückwunsch.“
Natürlich ist der Star Wars Day kein gesetzlicher Feiertag, bis auf vielleicht im US-Staat Kalifornien, wo dieser Tag seit 2019 per Parlamentsbeschluss zu einem offiziellen Gedenktag erklärt wurde. Doch bevor man jetzt einen Umzug nach Kalifornien erwägt: Gearbeitet wird an diesem Tag trotzdem.
Aber die Amis scheinen eh ein besonderes Verhältnis zum Krieg der Sterne zu haben: Nehmen wir z.B. Darth Vader, einen der beeindruckendsten Bösewichte der Filmgeschichte. Groß, schwarz, trägt Helm und Maske und ist damit für viele eine Ikone des personifizierten Bösen. Und als solche ziert sein markantes Antlitz die Fassade der Washington National Cathedral. Natürlich auf der dunklen Seite, der nördlichen, der Kirche.
Überhaupt hat kaum eine andere Star Wars Figur, vielleicht mal abgesehen von Yoda, einen solchen Einfluss außerhalb des Film Universums:
So ist Lord Vader z.B. auch Namenspate eines nordamerikanischen Schwammkugelkäfers, Agathidium vaderi, der nicht nur durch seine schwarze Farbe, sondern auch durch seinen breiten, helmartigen Kopf an sein filmisches Vorbild erinnert. Im übrigen reiht sich der dunkle Lord in eine ganze Reihe von Anhängern der dunklen Seite der Macht ein, die ebenfalls Pate für einen Käfer der Gattung Agathidium auserwählt wurden. So gibt es Agathidium bushi, Agathidium rumsfeldi und Agathidium cheneyi. Das diese Insekten Gattung auch als Schleimpilz-Käfer bekannt ist, mag Zufall sein, also wie heißt es so schön: „Ein Schelm der Böses dabei denkt“.
Von seinen moralischen Fehltritten als Vollstrecker einer diktatorischen Militärregierung mal abgesehen, kann Darth Vader aber gerade in jüngster Vergangenheit auch positiven Symbolcharakter haben: Denn anders als mancher Corona-Leugner, geht Lord Vader nie ohne Maske außer Haus. Kein Wunder, bei seinem asthmatischen Gekeuche ist auch er sicher ein Risikopatient.
Auch die Abstandsregeln & das Social Distancing hat Vader sich verinnerlicht. So führt er seinen Signaturen Move, den Force Choke, nicht nur im Vollkontakt, sondern auch unter Einhaltung des korrekten Mindestabstands von 6 Fuß (etwa 1,80 m) durch. Wenn es sein Muß auch vom Home Office aus via Videokonferenz.
Und für alldiejenigen, die mit englischsprachigen Wortspielen nichts anfangen könne, gibt es auch Abhilfe. Die Berliner Verkehrsbetriebe BVG, deren Social Media Team schon öfters mit humoriger Werbung positiv in Erscheinung getreten ist, zeigte 2015, dass man auch auf Deutsch die M8 (spricht:M-acht) beschwören kann:
Wobei ja eigentlich die dunkle Seite der Macht ihren eigenen Feiertag hat, den man wahlweise am 5. oder 6. Mai begeht: The Revenge of the Sixth (Sith/Sixth). Dem ambitionierten Fan kommt eine solche dreitägige Sequenz ganz gelegen, schließlich gibt es auch drei Star Wars Trilogien. So muß man nur drei Filme pro Tag schaffen, wobei unter wahren Star Wars Connaisseuren gestritten wird, in welcher Reihenfolge man die Filme gucken soll:
Natürlich könnte man die Filme einfach in aufsteigender Episodenreihenfolge gucken. Dies hat jedoch den Nachteil, dass man sich so um den zentralen Plottwist der Saga bringt, den Augenblick, wenn Vader Luke Skywalker offenbart, dass er sein Vater ist. Daher empfehlen alte Star Wars Hasen folgende Reihenfolge:
Rogue One – A Star Wars Story Gibt einen guten Auftakt in die Story und geht mit seiner Schluß-Szene nahezu nahtlos über in…
Episode IV – Eine neue Hoffnung
Solo – A Star Wars Story Sozusagen eine Rückblende, welche die Vorgeschichte von Han & Chewbacca erzählt
Episode V – Das Imperium schlägt zurück Hier der zentrale Plottwist… Es folgt, wieder als Rückblende…
Episode II – Angriff der Klonkrieger
Episode III – Die Rache der Sith Erzählen die Hintergrundgeschichte Darth Vaders
Episode VI – Die Rückkehr der Jedi-Ritter
Episode VII – Das Erwachen der Macht
Episode VIII – Die letzten Jedi
Episode IX – Der Aufstieg Skywalkers
Der aufmerksame Leser wird gemerkt haben: Was ist mit Episode I passiert ? Hier sind sich eigentlich fast alle einig: Dies ist mit Abstand der schwächste aller Star Wars Filme. Die Handlung ist im Prinzip für das Verständnis der Gesamthandlung der Saga nicht notwendig, es tauchen eine Reihe Charakter auf, die in den folgenden Teilen gar nicht oder nur am Rande auftauchen, und man erspart sich – und das ist das wichtigste Argument – die nervigsten Szenen mit Jar-Jar Links, jenem radebrechenden Amphibienwesen, das mehr peinlich als lustig ist.
Fehlt nur noch der passende Snack für den Film Marathon:
Aus Anlass der aktuellen Umstände möchte ich mich heute mit einer in diesen schwierigen Zeiten wichtigen Ressource befassen. Nein, es geht nicht etwa um Gold oder andere kostbare Materialien (Kaviar, Diamanten, Drogen…), sondern um DIE Ressource im Zeitalter von CoVID-19 schlechthin: Klopapier, Toilettenrolle, Endlosserviette…
Unlängst sind die Regale im Einzelhandel gründlichst vom kostbaren Endlospapier beräumt. Es finden sogenannte Hamsterkäufe statt, es wird in aberwitzigen Mengen gehortet:
Als mir heute der freundliche Lieferfahrer vom Getränkeservice meinen Mineralwasservorrat wieder auffüllte, wurde ich auch darüber informiert, dass die Firma Flaschenpost.de noch in der Lage ist Toilettenpapier zu liefern, auch wenn es zu durchaus kuriosen Bestellungen kommt: So z.B. gestern geschehen, als der Herr Getränkefahrer einem Kunden 10 Kisten Selterswasser, sowie 10 Ballen Toilettenpapier ins Haus lieferte. Verrückt.
Klopapier im Wandel der Zeiten
Laut Definition handelt es sich dabei um „ein zur einmaligen Verwendung gedachtes saugfähiges, feingekrepptes Hygienepapier aus Zellstoff“.1,2 Also nichts, was unter Normalbedingungen besonders kostbar wäre. Aber da in einer Marktwirtschaft ja Angebot und Nachfrage den Preis regeln, kann so ein Alltagsgegenstand schon mal zu einem Luxusgut mutieren.
Historisch betrachtet ist das Konzept „Toilettenpapier“ so alt wie die Zivilisation. Bereits in archäologischen Funden aus der Hallstattkultur der späten Eisenzeit finden sich Indizien, dass sich die damaligen Menschen, wenn auch nicht mit Papier, so doch mit Pestwurzblättern den Hintern nach erfolgreicher Verrichtung abgewischt haben. Der erste schriftliche Beleg kommt dann aus dem alten China, wo im 6. Jahrhundert der Gelehrte Yan Zhitui schreibt: „Ich würde es nie wagen, Papier mit Zitaten oder Kommentaren aus den Fünf Klassikern oder Namen von Weisen darauf für die Toilette zu verwenden“
Im Gegenzug schreibt ein Reisender im 9. Jahrhundert über die Chinesen: „Sie (die Chinesen) sind nicht sehr sorgfältig mit Sauberkeit, und sie waschen sich nicht mit Wasser, wenn sie ihr Geschäft erledigt haben, sondern wischen sich nur mit Papier ab.“ Dabei wirken die Reinigungsrituale andern Ortes deutlich kruder: So kommen Lumpen (abgetragene Textilien), Schwämme, sowie lebendes Federvieh(!)3 zum Einsatz um sich damit den Allerwertesten abzuwischen. Die Frage, ob aus dieser Zeit auch die Beleidigung „Du Kackvogel !“ stammt, muss leider offen bleiben.
Aber die Verwendung von Textilien zu diesem Zwecke ist im Mittelalter verbreitet. Je nach sozialer Stellung entweder grob gewirkter Wollstoff für das Volk oder feineres Gewebe mit Seidenapplikation bei den Reichen und Mächtigen. Die Verwendung von Papier setzt sich erst mit der industriellen Papierfabrikation durch. Mit dem Übergang vom Plumpsklo zum Wasserklosett mit Anschluss an die Kanalisation steigen dann auch die Ansprüche an das Material, welches schließlich nicht Rohre oder Kanäle verstopfen soll. Erst als einzelne Blättchen in Schachteln verkauft, findet sich dann im Fachblatt der Papierhersteller, der Papier-Zeitung, um 1879 dann der erste schriftliche Hinweis auf gerolltes, perforiertes Endlospapier. Damals noch als simples, raues und vor allen Dingen einlagiges Krepp-Papier auf Rollen zu 1000 Blatt. Der Charmin-Bär mit seinem superflauschigen Papier würde das kalte Gruseln kriegen.
Erst die Firma Hakle holte das wesentlich weichere Tissue-Papier über den großen Teich aus den USA nach Westdeutschland. 1972 folgt das 2-lagige und 1984 das 3-lagige Klopapier. Mittlerweile, 2020, ist man längst beim 5-lagigen Papier angekommen.
In der DDR setzte man bis zur Wende weiter auf das Einlagige: „Nicht minder hart, [...]fällt das generationenübergreifende Verdikt über das Toilettenpapier im real existierenden Sozialismus aus: Immer wieder wird es als „rauh“, „hart“, „viel zu dünn“, sogar als „schmerzhaft“ (so eine 1981 Geborene) beschrieben“4
Von der Psychologie des Hamsters
Ja, weich wie ein Feder und doch stark und haltbar wie Leder sollte es sein, das perfekte Klopapier. Dies manifestiert sich dann in Markennamen wie z.B. „Sanft & Sicher“. Und wer sehnt sich in unsicheren Krisenzeiten nach Sicherheit, einem Stück sanfter Kuscheligkeit, die einem auf dem stillen Örtchen halt gibt ? Oder es ist eben die Sorge das die Befriedigung eines zutiefst menschlichen Grundbedürfnisses, nämlich sich nach einem ordentlichen Morgenschiss den Hintern blitzblank zu putzen, abrupt zum Erliegen kommen könnte, die den Menschen zu solchen Hamsterkäufen treibt. Tatsächlich, so kann man von Psychologen erfahren, gibt ein solcher Hamsterkauf ein Gefühl von Kontrolle. In Zeiten in denen vieles unsicher und ungewiss erscheint, nimmt man aktiv die Dinge in die Hand und tut etwas statt ergeben auf das Schicksal zu warten. Man zählt die Rollen ab, trägt diese Heim und hat das gute Gefühl zumindest ein Problem erfolgreich gelöst zu haben. Klopapier ist dabei ein besonders dankbares Hamsterprodukt, da es gut lagerfähig ist und anders als z.B. Hackfleisch oder frisches Gemüse, lange seinen Gebrauchswert behält. Wir empfinden es also gute Investition, denn ob Krise oder nicht, brauchen kann man es immer.
Dieses Phänomen ist aber historisch betrachtet längst kein Präzedenzfall. So kam es in den 1970ern während der Ölkrise in Japan zur „Toilettenpapier-Panik“. Man erwartete, dass mit der Beschränkung der Ölimporte auch eine Verknappung der Toilettenpapier-Vorräte einhergehen würde, was zu Hamsterkäufen führte. Nein, anders als das mittelalterliche Federvieh, blieben die japanischen Hamster vor Schlimmerem verschont, aber die Japaner kauften Papier, was das Zeug hält. Und die dadurch herbeigeführte künstliche Verknappung schien die Gerüchte nur zu bestätigen, was wiederum zu einer noch höheren Nachfrage führte. Merke: Je mehr Hamster, desto mehr Hamster. Oder: Nein, ich kaufe das nicht wegen der Angst vor der Krise, sondern weil ich Angst vor diesen ganzen Irrationalen Hamsterkäufern habe. Man weiß ja nie.
Die Japaner scheinen aber tatsächlich ein besonderes Verhältnis zum Toilettenpapier zu haben. Unabhängig von der Corona-Krise, im Jahre 2014 als noch Niemand von den aktuellen Ereignissen ahnte, rief die japanische Regierung im Zuge ihres Katastrophenpräventionstag die Bevölkerung auf Klopapier zu horten. Ja richtig gelesen – zu horten. Es sei ja hinlänglich bekannt, dass bei großen Katastrophen wie Erdbeben ein Mangel an nutzbaren Toiletten zum Problem werde. Nun mag sich der Deutsche denken: Ohne funktionierendes Klo nutzt mir das beste Papier nichts. Nun mag aber für einen Japaner, also einen Bewohner des Landes, in dem HighTech-Toiletten den Hintern des Benutzers automatisch abduschen, der Zustand „nicht benutzbar“ bereits bei Ausfall dieser Duschfunktion erreicht sein.
Was nun tun, wenn das Klopapier knapp wird
Gerade telefonierte ich mit einem Freund aus dem Hessischen. Dieser steht gerade vor dem akuten Problem, dass sein heimischer Vorrat wirklich nur noch aus einer einzelnen Rolle besteht und die Abteilung Hygieneartikel im örtlichen Real nach schwerem Hamsterbefall ausschaut:
Auch im Online Handel ist die Lage trostlos…
Bei Amazon ist man sich unsicher wann oder sogar OB(!) der Artikel Klopapier jemals wieder lieferbar sein wird. Bleibt die Möglichkeit sich in Fernost, der Werkstatt der modernen Welt, die bekanntlich alles produziert, mit Papier einzudecken. Wenn sie genau heute (20.03.2020) ihr Klopapier bestellen, können sie sich vielleicht schon Anfang Mai wieder den Hintern wie gewohnt abwischen.
Eine pragmatischere Lösung sieht vor, sich im Supermarkt nach gleichwertigen Ersatzprodukten umzuschauen. Etwa bei den Verbrauchsmaterialien für den Küchenbetrieb. Um die dort erhältliche Küchenrolle auf das Format eines handelsüblichen Klosettrollenhalters zu adaptieren und das soeben erbeutete Surrogat über einen möglichst langen Zeitraum zu strecken, empfiehlt sich ein Abstecher in den Baumarkt:
Küchenpapier ist vielleicht nicht ganz so flauschig wie 5-lagiges Luxusklopapier, dafür aber hinreichend Saugfähig und von akzeptabler Textur.
Aber bei dieser Alternativen warnt das Umweltbundesamt zur Vorsicht. Warum dem so ist kann jeder einfach nachvollziehen, der schon einmal ein Taschentuch in der Waschmaschine mitgewaschen hat: Ein dicker Klumpen verfilzte Pappmaché. Da solches Saugpapier darauf ausgelegt ist, größere Flüssigkeitsmengen unfallfrei aufzunehmen, löst es sich eben gerade nicht im Wasser auf. Anders als Klopapier. Das Resultat im schlimmsten Fall: Ein verstopfter Lokus.
Apropos Baumarkt: Von einer Substitution durch dort erhältliche Spezialpapiere rate ich ebenfalls ab. Sicherlich kriegt man mit solchen Hilfsmitteln die „hintere Warenausgabe“ blinkgewischt, allerdings putzt man vermutlich noch mehr weg, als nur den letzten Stuhlgang. Sollte es dennoch unumgänglich sein, immer dran denken: Nur eine sehr feine Körnung verwenden. Zumindest interessant ist der Ansatz mit der universal Allzweckwaffe des Heimwerkers, dem Wundermittel WD-40, ist aber wegen seinem hohen Gehalt an aliphatischen Kohlenwasserstoffen als nicht hautfreundlich abzulehnen.
Eine weitere Variante, die auf Spezialpapier setzt, aber ganz dem Minimalismus verschrieben ist, wird vermutlich am linken Niederrhein in der Hochburg des Karnevals populär sein, aber für alle Nicht-Narren sicherlich etwas zu mühselig sein:
Bewährt aus weniger glorreichen Zeiten der Geschichte: Zeitungspapier oder alte Telefonbücher sammeln und in kleine rechteckige Blättchen schneiden, an einer Ecke lochen und auf ein Stück Kordel aufziehen. Besser als nix, verstopft aber auch die Rohre und hinterlässt im ungünstigsten Fall Druckerschwärze auf dem Podex.
Eine relativ interessante Idee wurde mir auch aus dem Bekanntenkreis zugespielt, die direkt zwei aktuelle Probleme des Zeitgeschehens löst: Nur ein paar Wochen ist es her, dass die neue Bonpflicht die Gemüter erregte. Also, ich hoffe, Sie haben sich immer brav einen Kassenzettel aushändigen lassen, dann haben sie auch eine veritable Notreserve an Hochleistungs-papier. Das Bisphenol-A, welches im Thermopapier enthalten sein soll, ist zwar sicher nicht besonders gesund, aber vielleicht tötet es ja auch gleich alle anhaftenden Viren (eher unwahrscheinlich).
Bleibt noch die mittelalterliche Variante: Der Kacklappen, also ein feuchter Waschlappen um sich damit den Hintern abzuwischen. Ist sicherlich nicht die angenehmste Alternative, insbesondere nicht nach Vollbringung umfangreicherer Geschäfte. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Selfmade-Variante:
Am Besten gelöst haben es wohl die Franzosen mit ihrem Hockwaschbecken, dem Bidet. Oder die Japaner mit ihrer Hightech-Toilette dem Washlet/Dusch-WC. In beiden Fällen wird der Hintern mit einem Wasserstrahl abgespült. Sehr nachhaltig und einfacher in der Zuführung von Betriebsmitteln. Leider sind solche Vorrichtungen nicht Standard in deutschen Badezimmern, so dass man für dieses Szenario eben flott vom Pott in die Dusche überwechseln muss.
Es sei denn natürlich, sie bewohnen ein Studentenwohnheim, wie es 2005 in Münster/Gievenbeck üblich war: Die dort aus einem Guss gefertigten Plastikverschalungen des Badezimmers erlaubten (fast schon) Duschen und Klogang simultan auszuführen.
Aber auch dem, der nicht die Dusche verwenden will und nicht den Gartenschlauch durchs offene Badezimmerfenster führen will, kann sich hygienisch den Po abduschen. Dem portablen Bidet sei dank, welches auf den netten Namen HappyPo hört. Ähnlich einer Spritzflasche aus dem Labor, lässt sich nun mit dieser Vorrichtung die Hinterbacken befeuchten:
Betrachten wir aber nun mal den umgekehrten Fall. Mal angenommen sie haben sich frühzeitig mit ausreichend Klopapier eingedeckt um damit ein ganzes Bataillon zu versorgen. Ok, mal abgesehen von Stuhlgang im Gegenwert von 30 Jahren, was für Optionen existieren ?
Was stelle ich mit dem Klopapier an ?
Tatsächlich hat sich ein Großhändler für Toilettenpapier einmal die Mühe gemacht eine Statistik für alternative Anwendungsgebiete des „weissen Goldes“ gemacht. Auf welcher Datenbasis allerdings ist unklar:
Aber neben solch offensichtlichen Aktivitäten ist es gar nicht mal so unrealistisch das softe Papier als harte Währung einzusetzen. Wie sich in Krisensituationen bereits mehrfach gezeigt hat, bewähren sich begehrte Tauschobjekte manchmal gegenüber schnödem Geld.
Das Stichwort ist der sogenannte Graumarkt. Also Tauschhandel, der nicht illegal ist, aber fernab der gesetzlich regulierten Bahnen. Dabei werden z.B. schwer zu beschaffene Güter (hier: Toilettenpapier), gegen alles mögliche Andere eingetauscht, was das Herz begehrt. Glauben Sie nicht ? Ein Blick auf ebay-kleinanzeigen.de genügt:
Aber man kann auch Klopapier einsetzen, um dem zögerlichen Käufer den Kauf zu versüßen. Normalerweise kennt man das ja nur beim Wechsel von Stromanbietern, dass sie bei 2-jähriger Vertragsbindung noch ein IPad obendrauf packen:
Oder der Fall, wo die Verzweiflung jede Vernunft schlägt:
Und wiederum Angebote, die einen ratlos lassen:
Problem hier: Ist die Krise vorbei oder zumindest der Lieferengpass vorbei, sinkt auch der Kurs des Tauschobjekts. Das Klopapier aber zur Zeit definitiv als Wertgegenstand betrachtet werden muss, wird auch von offizieller Seite bestätigt:
Aber jetzt mal im Ernst… Hamstern ist Mist. Und beobachten wir hier nicht gerade das, was sonst von Allen massiv kritisiert wird ? Während die Einen sich im absoluten Überfluss aalen, reicht es bei den Anderen noch nicht mal zur Deckung des Grundbedarfs. Was also bei Geld unmoralisch ist, wird auch beim Toilettenpapier nicht unbedingt besser. Also liebe Leser, wie die Engländer schon in Krisenzeiten immer sagten: „Keep calm and Carry on“.
Ruhe bewahren, es kommen auch wieder bessere Zeiten !
Daniel Furrer: Wasserthron und Donnerbalken. Eine kleine Kulturgeschichte des stillen Örtchens. ISBN 3-89678-248-7. ↩
Rainer Gries: Waren und Produkte als Generationenmarker. In: Annegret Schüle, Thomas Ahbe, Rainer Gries (Hrsg.): Die DDR aus generationengeschichtlicher Perspektive. Eine Inventur. Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 2006, S. 271–304, hier S. 296 f. ↩
Jeder Chemiker kennt es… Man kommt auf eine Party und begegnen dort Nicht-Chemikern. Man stellt sich vor, beginnt mit freundlichem Smalltalk und kommt im Zuge dessen auf das Thema Beruf zu sprechen. Auf die Antwort man sei Chemiker folgt, ganz in Übereinstimmung mit den gängigen Klischees, erstaunlich oft eine von zwei Fragen:
Ist bei Dir schon mal etwas explodiert ?
Kannst Du / Hast Du schonmal irgendwelche lustigen Drogen in deinem Labor hergestellt ?
Befassen wir uns einmal mit Frage 2: Ja, können kann der Chemiker Vieles. Auch Drogen herstellen. Aber nur weil er alles herstellen kann, heißt das noch lange nicht, dass er das auch wirklich tun sollte. Selbst in Vorstellungsgesprächen ist man vor solchen Fragen nicht gefeit:
„Würden sie sagen, dass die Synthese von Drogen eine lohnenswerte Tätigkeit ist ?“
Nein, würde ich nicht. Mal ganz abgesehen davon, dass so etwas verboten ist: Organische Synthese ist ein aufwendiges, oft mühevolles und ohne das richtige Equipment und Infrastruktur auch gefährliche Tätigkeit.
Und doch: Immer wieder hört man in den Nachrichten von illegalen Drogen-„Laboren“ und beschlagnahmten synthetischen Drogen, allen voran Methamphetamin – alias: Meth oder Crystal. Das goldene I-Tüpfelchen setzt dem ganzen noch die sehr populäre Serie Breaking Bad auf: Ein an Krebs erkrankter Chemielehrer steigt in die illegale Produktion von Crystal Meth ein, um mit den Erlösen den Unterhalt seiner Familie nach seinem Ableben zu finanzieren.
Methamphetamin – Was ist das ?
Wie findet man synthetische Substanzen, die in unserem Organismus biologisch wirksam sind ? Natürlich kann man den Brute-Force-Ansatz wählen und mit riesigem Aufwand eine große Substanzbibliothek testen, bis man einen Treffer landet. Die Pharmaindustrie nennt sowas High Troughput Screening.
Einfacher hat man es aber, wenn man bereits einen wirksamen Naturstoff zur Vorlage hat, von dem man sich strukturell inspirieren lassen kann. In unserem Fall wäre dies die Substanzklasse der sogenannten Phenethylamine, mit bekannten Vertretern wie dem Dopamin (ein erregend wirkender Neurotransmitter) oder dem Adrenalin (das bekannte Stresshormon, welches in Ausnahme Situationen die Herzfrequenz steigert und die versteckten Energiereserven freisetzt).
Wir sehen, das grundlegende Strukturmotiv ist immer gleich: eine Stickstoff-Gruppe (Amin) verbunden über eine C2H4-Kette (Ethyl) mit einem Phenyl-Ring = Phenethylamin.
Dementsprechend ist es ein gängiger Ansatz ausgehend von einer solchen Leitstruktur durch strukturelle Modifikationen, die Eigenschaften eines Wirkstoffs für die geplante Anwendung zu modifizieren.
Ausgangspunkt der Aktivitäten, die letztendlich zur Entdeckung des Methamphetamins und dem engverwandten Amphetamin führten, war die Suche nach dem Wirkstoff in der Pflanze Meerträubel (lat. Ephedra). Es war bekannt, dass diese Pflanze als Arznei bei der Behandlung von chronischer Bronchitis und auch leichten Formen des Asthmas nützlich ist. Dies nahm 1885 der Japaner Nagayoshi Nagai, der damals als wissenschaftlicher Assistent in den Labors der Humboldt Universität tätig war, zum Anlass den Wirkstoff im Meerträubel, das Ephedrin, zu isolieren. Größerer Erfolg war ihm jedoch damit nicht beschieden, da sich sein extrahierter Naturstoff in der praktischen Anwendung gegen das bereits bestens etablierte Adrenalin nicht durchsetzen konnte. Dies mag Nagai dazu bewogen haben das Ephedrin chemisch zu modifizieren, um seine Wirkung zu steigern. Dies gelang ihm schließlich in Form des Methamphetamins. Da sich aber auch dafür (vorerst) keine praktische Anwendung finden lassen konnte, geriet es erst einmal in Vergessenheit.
Erst als 1919 Akira Ogata, ebenfalls ein Japaner und Schüler Nagais, sich erneut mit dem Ephedrin beschäftigte und im Rahmen dessen auch erstmals eine kristalline, sehr reine Form des Methamphetamins herstellte, wurde man sich der ausgeprägten stimulierenden Wirkung gewahr. 1921 führte daher das japanische Pharmaunternehmen Dainippon Sumitomo Seiyaku das Medikament Philopon / Hiropon (jpn. hirō Müdigkeit + pon mit einem Schlag = ‚Müdigkeit verschwindet mit einem Schlag‘) auf den Markt.
Und hier offenbart sich uns, welch kuriose Wendungen die Geschichte mitunter nehmen kann. Was heute zu Recht eine verrufene, gefährliche Droge ist, war dereinst mal ein gerühmtes Medikament. Ein Schicksal, was im übrigen gar nicht so selten vorkam. Auch Heroin war einmal ein Medikament.
Auch in Europa wurde man auf das neuartige Stimulans aufmerksam und begann es zunächst zur psychiatrischen Behandlung zu vermarkten.
Größere Bekanntheit erlangte Methamphetamin doch erst, als sich die deutschen Temmler-Werke damit befassten und Methamphetamin ab 1938 unter dem Namen Pervitin auf den deutschen Markt brachten. Pervitin erfreute sich offenbar relativ schnell einer gewissen Popularität als rezeptfreier Muntermacher. Zur Wirksamkeit lässt sich zum Beispiel bei Wikipedia lesen:
N-Methylamphetamin unterdrückt Müdigkeit, Hungergefühl und Schmerz. Es verleiht kurzzeitig Selbstvertrauen, ein Gefühl der Stärke und dem Leben eine ungewohnte Geschwindigkeit.
Man kann sich demnach vorstellen, dass gerade Personen, die Stress ausgesetzt sind und sich zu Höchstleistung motivieren müssen, empfänglich für eine solche Pille sind. Offenbar zählte man auch Hausfrauen zu dieser Zielgruppe, da es zumindest zeitweise unter dem Namen Hausfrauenschokolade mit Pervitin versetzte Pralinen kaufen konnte. Ergo: Pervitin belegte eine ähnliche Marktnische wie heutzutage die Energy Drinks.
Die Zielgruppe der sog. Fliegerschokolade: die deutsche Luftwaffe
Aber der sicherlich größte Abnehmer war in dieser Zeit ein anderer. Denn 1938 begann bekanntlich der 2. Weltkrieg. Unterdrückte Müdigkeit, Selbstvertrauen und ein Gefühl von Stärke… Kein Wunder, dass die Wehrmacht auf Pervitin aufmerksam wurde und ihren Soldaten die Droge ins Marschgepäck packte, damit Piloten die ganze Nacht durchfliegen konnten und Panzerfahrer sich idealerweise in furchtlose Kampfmaschinen verwandelten. Typische Spitznamen unter den Soldaten waren demnach Herman-Göring-Pille (der selbst wohl einen großen Verbrauch an dieser Droge hatte) oder Panzerschokolade.
Doch der allzu sorglose Umgang mit Methamphetamin hat seine Schattenseiten. Das erste Problem ist relativ logisch und erfordert kein großes Fachwissen: Da die Droge im Konsumenten keine neue Energie erzeugt, sondern die Effekte der Erschöpfung unterdrückt, kehrt diese verstärkt in Form eines Hangovers nach Abklingen der Wirkung wieder auf. Das so etwas auf Dauer nicht gut gehen kann liegt auf der Hand. Erschwerend kommt aber noch hinzu, dass Methamphetamin stark suchterzeugend ist und regelmäßiger Konsum zu einem Gewöhnungseffekt führt, der ein stetes anheben der Dosierung nötig macht, um die angestrebte Wirkung zu erzielen.
Der Katalog der potentiellen Nebenwirkungen, insbesonders bei höheren Dosierungen hat es auch in sich: Persönlichkeitsveränderungen, Paranoia und Psychosen (inkl. Delirium, Halluzinationen und gewalttätigem Verhalten), Gehirnläsionen (inkl. strukturellen Veränderungen und Reduktion der Gehirnmasse und Blutungen). Der Katalog ist relativ umfangreich und lässt sich kurz zu „allgemeiner psychischer und physischer Verfall“ zusammenfassen.
Erratisches und aggressives Verhalten, wie es mit starkem Konsum einher geht, konnte man in jener Zeit auch Hitler und Hermann Göring attestieren, denen man besonders gegen Ende des 2. Weltkriegs einen starken Konsum dieser Droge zuschreibt. Sicherlich ist dies nicht die alleinige Ursache für deren Gräueltaten, aber der Methamphetaminmißbrauch hat garantiert dazu beigetragen.
Letztendlich konnte man die Nebenwirkungen und das Mißbrauchspotential nicht wegdiskutieren und man stellte Pervitin unter Rezeptpflicht. Dennoch blieb es auch nach dem Krieg weiter im Einsatz. Bis in die 1970er Jahre wurde es von Bundeswehr und NVA „für den Ernstfall“ bevorratet. Bei der NVA blieb es bis 1988 Bestandteil des Verbandssatzes im Sanitätswesen.
Auch andere Personen der Zeitgeschichte kamen mit Pervitin in Berührung. Konrad Adenauer, erster Bundeskanzler und Gründervater der Bundesrepublik Deutschland, soll gelegentlich zu einer Tablette Pervitin zur Leistungssteigerung gegriffen haben, wie jüngst aus den Tagebüchern seines Sohnes bekannt wurde.
Und wenn man an Leistungssteigerung denkt, dann ist der Gedankensprung zu Doping und Sport nicht weit. Es ist also kaum verwunderlich, dass auch mancher Sportler auf die Idee kam seiner Fitness mit Pervitin etwas auf die Sprünge zu helfen. Es ist dennoch erschütternd, wenn ein sportliches Idol vieler plötzlich dabei erwischt wird vor dem Wettkampf ins Medizinschränkchen gegriffen zu haben. Sicherlich ein besonders krasses Beispiel für ein solches Phänomen sind die viel gerühmten Helden des Wunders von Bern. So sollen 1954 einige der Nationalspieler an Gelbsucht erkrankt sein, nachdem der Mannschaftsarzt Franz Loogen ihnen „Vitamin C“ Injektionen aus einer verunreinigten Spritze verabreicht haben soll. Wenige Monate zuvor hatte man an der Universität Freiburg in einer lange unter Verschluss gehaltenen Studie unter dem Titel „Die Wirkung von Dopingmitteln auf den Kreislauf und die körperliche Leistung“ herausgefunden, dass Pervitin Injektionen die Leistungsfähigkeit eines austrainierten Sportlers um bis zu 25% steigern kann. Dies ist natürlich kein Beweis für Doping bei der Fußballnationalmannschaft, warf aber doch gewisse Fragen auf.
Ein besonders tragisches Beispiel ist der Profi Boxer Josef „Jupp“ Elze, der bei seinem Kampf gegen den Italiener Carlo Duran 1968 nach 150 (!) Kopftreffern zu Boden ging und schließlich an Gehirnblutungen erlag. Während vermutlich jeder andere bereits deutlich vorher kampfunfähig gewesen wäre, sorgte der Umstand, dass Elze mit Pervitin gedopt war, dass er bis zum bitteren Ende seine Verletzungen nicht bemerkte und damit als erster Dopingtoter der deutschen Sportgeschichte in die Historie einging.
Mittlerweile hat die Anwendung von Amphetamin als Arzneimittel in Deutschland ein Ende, da es im Betäubungsmittelgesetz als nicht verschreibungsfähig gelistet ist. Zu groß ist die Gefahr des Missbrauchs der stark suchterzeugenden Substanz.
Der illegale Einsatz als Droge ist jedoch ungebrochen. Gerade in unserer heutigen schnelllebigen Zeit, mit stetig steigenden Anforderungen an den Einzelnen, scheint ein Mittel mit dem man sich zu vermeintlicher Höchstleistung dopen kann einen besonderen Reiz zu besitzen.
Der Name Pervitin ist verschwunden, an seine stelle getreten sind die mittlerweile besser bekannten Namen Meth, Crystal Meth, Crystal, Yaba, Crank oder Ice. Bezeichnungen, die daher rühren, dass Amphetamin in seiner besonders reinen Form in klaren, farblosen, eben eisartig aussehenden, Kristallen vorliegt.
Während es zwar auch Konsumenten gibt, die Crystal oral einnehmen oder spritzen (ähnlich dem Pervitin), wird die Droge heutzutage (und so auch in Breaking Bad zu sehen) eher geschnupft oder mit einer speziellen Pfeife (Ice pipe) geraucht. Diese Konsumformen besitzen die Eigenschaft, dass die Wirkung sehr schnell und intensiv eintritt (Kick). Nicht nur dies allein, sondern auch der Umstand, dass der nachfolgende Hangover relativ ausgeprägt auftritt, tragen dazu bei, dass schnell eine psychische Abhängigkeit eintritt. Ebenso trägt eine schnelle Tolleranzbildung, d.h. eine Gewöhnung des Organismus an die Droge, und die damit einhergehende Dosissteigerung, um die gewohnten Effekte zu erzielen, zu einem Eskalieren des Konsums. Chronische Folgen eines starken Konsums sind u.A. Abmagerung, Zersetzung der Schleimhäute in Mund und Nase, Ausfall der Zähne (Meth mouth) und allgemeiner psychischer Verfall. Tatsächlich ist laut einer Studie aus dem Jahr 2010 Meth eine der Drogen mit dem höchsten Eigenschädigungspotential.
Der schädigende Effekt ist aber nicht allein auf die Droge zurück zuführen, sondern auch auf die Art und Weise, wie sie in den Verkehr kommt: illegale Drogenküchen.
Breaking Bad
Im Unterschied zu Drogen wie Cannabis, Salvia divinorum oder Magic Mushrooms, die direkt aus Pflanzenteilen (oder Pilzen) gewonnen werden, ist Crystal eine synthetische Droge. Sprich: Der Wirkstoff wird nicht in der freien Natur gefunden, sondern wird in einem Labor, einem pharmazeutischen Wirkstoff nicht unähnlich, hergestellt. Man kann sich natürlich vorstellen, dass bei Pharmazeutika höchste Reinheitsanforderungen gelten, um unerwünschte Nebeneffekte durch Verunreinigungen zu vermeiden. Hierfür braucht es nicht nur Erfahrung, sondern auch oft geeignete, saubere Ausgangsmaterialien und das notwendige technische Equipment. Sprich: Es ist aufwendig und teuer.
Dem illegalen Drogenkoch steht ein solches Equipment und die notwendigen Materialien nicht zwangsläufig zur Verfügung. Dies liegt unter Anderem schon mal daran, dass ein Teil der Ausgangsmaterialien (eben WEIL es Ausgangsmaterialien für die Drogenherstellung sind) unter Überwachung stehen und nicht einfach von jedermann erworben werden können. Selbst industrielle Verwendender mit einem legitimen Ansinnen müssen eine entsprechende Endverbleibserklärung abgeben, bevor sie diese Materialien kaufen können. Der Drogenkoch muss also improvisieren. Und dieses Improvisieren der Zutaten kriegen wir in Breaking Bad auch verschiedentlich zu sehen. Etwa die Beschaffung von Pseudoephedrin in Form von Erkältungsmedizin. Doch dies ist einfacher gesagt als getan, da man nicht mal eben die Apotheke leerkaufen kann, ohne Verdacht zu erregen. Daher muss dies immer in kleinen Mengen aus verschiedenen Quellen erfolgen. Und selbst dann muss der benötigte Ausgangsstoff erstmal aus dem Medikament abgetrennt werden.
Kann man die Zutaten nicht durch ein solches geschicktes Taktieren beschaffen, muss man das Rezept anpassen. Auch etwas, was einen Laien vor ein Problem stellt. Hierfür bedarf es schon ein ordentliches Maß an chemischer Expertise. In den dunklen Ecken des Internets findet man zwar reichlich Vorschläge, aber ob diese immer etwas taugen ist fraglich. Selbst wenn man ein Work-around für sein Problem findet, bedarf chemische Synthese schon ein gewisses Maß an Erfahrung, um auf unliebsame Überraschungen angemessen zu reagieren, wenn mal etwas nicht so läuft wie geplant.
Professionelles Laborequipment lässt sich zwar leichter beschaffen, ist aber unter Umständen teuer. Man kann sich zwar heute – Ebay sei Dank – ein mit dem grundlegenden Equipment ausstatten. Es gibt aber auch Länder, in denen solche Einkäufe bereits das Interesse der Polizei erregen kann. In manchen Staaten der USA z.B. ist es undenkbar, dass eine Privatperson ein legitimes Interesse haben könnte sich Glasgeräte für ein chemisches Labor zu erwerben. Ergo: Auch hier wird mit den verschiedensten Kunstgriffen improvisiert. Je weiter man sich von der idealen Laborvorschrift entfernt, desto schwieriger wird es ein Produkt in Pharmaqualität zu erhalten. Mangelnde Erfahrung mit Laborarbeit oder billigende Inkaufnahme mangelnder Qualität tun ihr Übriges. Überhaupt: Ohne Instrumente zur instrumentellen Analytik (z.B. den aus Film & Fernsehen bekannten Gaschromatographen) ist es ohnehin nicht ganz so einfach die Reinheit seines Produktes zu überprüfen. Neben dem gewünschten Wirkstoff kann noch allerhand sehr unschöne Verunreinigungen enthalten sein. Ein Beispiel, was die Konsequenzen solcher Verunreinigungen sein können, sieht man anhand der in der jüngeren Vergangenheit in den Medien sehr präsenten Droge Krokodil, die ebenfalls aus improvisierten Drogenküchen stammt: Gewebsnekrosen an der Injektionsstelle, Nierenschäden und Schlimmeres. Sicherlich keine gute Strategie, um sich nachhaltig einen Kundenstamm aufzubauen.
Da die entsprechenden Prozesse aber auch die Handhabung von Gefahrstoffen beinhalten, ist nicht nur der Konsument, sondern auch der Drogenkoch einer Gefahr ausgesetzt. Feuergefahr und unbeabsichtigte Aufnahme toxischer Substanzen über Haut und Atemluft sind ohne umsichtiges Handeln und entsprechende Sicherheitsvorkehrung durchaus reale Gefahren. Letztendlich wird oft auch die Umwelt beeinträchtigt, da chemische Synthese gefährliche Abfälle erzeugt, die aus Gründen der Tarnung nicht fachmännisch entsorgt werden, sondern oft in der Natur verklappt werden.
Diese Gefahren sind auch oft der Auslöser, der zur Entdeckung illegaler Drogenküchen führen, z.B. wenn Feuerwehr und Rettungskräfte zu Feuern oder Gefahrstoffereignissen gerufen werden, die aus solch illegalen Aktivitäten herrühren.
Ergo: Es ist zwar plausibel, dass ein Laie mit einem entsprechenden chemischen Kochrezept und einer improvisierten Ausrüstung Crystal Meth herstellt. Auch mag es unter den Chemikern entsprechende schwarze Schafe geben (a la Walter White), die ihr Können dazu einsetzen, um illegal Geld zu verdienen. Aber wer schon keine Skrupel hat sein Geld im Drogengeschäft zu verdienen, bei dem ist es auch fraglich in wie weit die Produktqualität über Profit Maximierung siegt.
„Also die alkoholische Gärung – oder vielmehr die Gärung des Alkohols – sie erzeugt Alkohol – das heißt also, der Alkohol erzeugt Gärung – sogenannte alkoholische Gärung“ — Johannes Pfeiffer (mit drei F) in „Die Feuerzangenbowle“
Mal wieder ist ein Jahr dem Ende zu und damit wird auf die Erfolge des alten Jahres angestoßen beziehungsweise die Glückwünsche für das neue Jahr mit einem ausgebrachten Toast bekräftigt.
Wie schon der treue Butler James in Dinner for One mit Sherry, Weißwein, Champagner und Portwein oder der Geheime Zauberrat Beelzebub Irrwitzes mit dem satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch (im gleichnamigen Buch von Michael Ende) zeigen, genügt es nicht die Silvesternacht mit stillem Wasser zu begießen, sondern der illustre Anlass verlangt nach einem angemessenen stärkeren Getränke – einem edlen Tropfen, einem spirituellen – oder richtiger: einem geistigen Getränk – kurzum Alkohol.
Der betrunkene Butler
Bleiben wir also mal beim Butler James. Anlässlich des 90. Geburtstags seiner Dienstherrin Miss Sopie wird – same procedure as every year– ein Geburtstagsdinner bestehend aus Mulligatawny-Suppe (eine Art Currysuppe), Schellfisch aus der Nordsee, Brathühnchen und Obst zum Nachtisch gereicht nebst adäquater Getränke. Da die gute Dame aber wie gesagt 90 wird (und das bereits seit etlichen Jahren, offenbar schummeln Frauen bei der 90 ebenso wie bei der 30) hat sie ihre vier besten Freunde bereits überlebt. Da die Dame aber offenbar ein Gewohnheitstier ist, findet das Dinner wie gewohnt statt. Leidtragender ist nun der Butler, der nun an Stelle der Verblichenen der Jubilarin zuprosten muss. Und da kommt einiges zusammen – wir zählen mit: jeweils vier Gläser Sherry, Weißwein, Champagner und Portwein plus den Inhalt einer Blumenvase. Perfider Weise wird dem treuen James aber nur der flüssige Teil des Festessens zuteil. Sprich: Sofern er nicht schon vorher in der Küche etwas gegessen hat, kippt er sich den ganzen Alkohol mehr oder minder auf nüchternen Magen hinter die Binde, was auch sichtbar einen verheerenden Effekt auf ihn hat. Als naturwissenschaftlich interessierte Menschen fragen wir uns nun: Welchen Alkoholspiegel hat James nun im Blut ?
Auf dem Weg vom Glas in die Birne
Die Auswirkungen eines Drinks auf den Alkoholspiegel sind schwierig abzuschätzen, da hier eine ganze Reihe stark vom Individuum abhängige Faktoren eine Rolle spielen. Erst einmal müssen Geschwindigkeit und Effizienz der Alkoholaufnahme berücksichtigt werden. Obwohl Alkohol über die Mundschleimhaut aufgenommen direkt ins Blut geht, wird dort nur 2% der aufgenommenen Alkoholmenge resorbiert. Der Hauptteil wird im Magen, aber ganz besonders der Dünndarm für die Aufnahme verantwortlich. Da die Resorption im Magen aber relativ langsam von statten geht, spielt der Mageninhalt eine entscheidende Rolle. Ist man nüchtern, geht es sehr schnell. Flüssigkeiten passieren den Magen sehr zügig (< 1 Stunde). Der Alkohol kommt also Rasch in den Dünndarm und kann seine Wirkung entfalten (Grafik 1). Ist der Magen wohl gefüllt und wurde eine entsprechende „Grundlage“ mit fetthaltigen Speisen geschaffen, verweilt der Alkohol tendenziell länger im Magen (sehr fette Speisen verweilen bis zu 7 Stunden im Magen) und die Aufnahme erstreckt sich über eine längere Periode. Dies sorgt zwar nicht dafür, dass weniger Alkohol aufgenommen wird, da aber parallel zur Aufnahme immer schon etwas Alkohol abgebaut wird, ist der Spitzenwert der Blutalkoholkonzentration geringer. Sprich: Man wird weniger stark besoffen (Grafik 2).
Szenario 3 im Schaubild würde dem Szenario entsprechen, dass der Alkoholgenuss sich über einen sehr langen Zeitraum erstreckt. Wenn der Suff nachlässt, legt der Trinker nach um seinen Pegel im Mittel konstant zu halten.
Natürlich spielen Körpergröße und Gewicht eine große Rolle. Vereinfacht ausgedrückt: Je größer der Proband, desto mehr Platz hat der Alkohol um sich auszubreiten, desto geringer die Konzentration (Masse pro Volumen).
Alkohol löst sich ferner prima in Wasser, in Fett eher schlecht. Daher wirkt sich ein hoher Wassergehalt im Körper auf den Alkoholspiegel aus, sprich wir müssen auch Alter und Geschlecht berücksichtigen.
Ein feuchtfröhlicher Abend –
Doch zurück zu unserer Silvesterparty. Fangen wir zunächst mit ein paar Grundannahmen an: Wir können ziemlich sicher sagen, dass James männlichen Geschlechts ist und offenbar nicht mehr der Jüngste. Gehen wir einmal von einem Alter von 75 Jahren aus. Fit genug, um den Erfordernissen seines Berufs noch gerecht zu werden, aber in Vorgerücktem Alter. Einer kurzen Google-Suche zufolge war der Schauspieler Freddy Frinton etwa 1,91 m groß. Das Gewicht müssen wir raten. Gertenschlank ist er nicht gerade, aber auch nicht pummelig. Gehen wir also in etwa von Normalgewicht aus: etwa 91 kg.
Kommen wir zu den Getränken. Diese werden in Zinnbechern in Größe eines durchschnittlichen Wasserglases von etwa 0,3 L serviert. Da wir aber nicht genau sehen können, wieviel jeweils eingeschenkt wird, gehen wir von einer typischen Portionsgröße aus, wie sie z.B. in der Karl May Bar im Taschenberg Palais in Dresden ausgeschenkt wird.
Anzahl
Menge
Alkoholgehalt Vol%
Volumen EtOH [L]
Masse EtOH [g]
Sherry
4
50
20
40
32
Wein
4
200
12
96
76,8
Champagner
4
100
12
48
38,4
Portwein
4
50
19,5
39
31,2
Gesamt
223
178,4
Butler James verabreicht sich also in unter einer halben Stunde eine Portion von 178,4 g Alkohol. Um nun mit diesen Daten den Alkoholspiegel im Blut zu berechnen bedienen wir uns der sogenannten Widmark-Formel in ihrer Modifikation nach Watson.
Setzen wir dort unsere geschätzten Daten ein, erhalten wir als Worst Case (gesamter Alkohol wird aufgenommen) einen Alkoholpegel von 2.97 ‰. Doch halt !
Unsere Abschätzung dadurch erschwert, dass gar nicht der gesamte Alkohol aufgenommen wird, sondern eine bestimmte Menge als Resorptionsdefizit gar nicht ins Blut und damit ans Ziel gelangt. Dieser „Schwund“ ist unter Anderem auch von der stärke der konsumierten Alkoholika abhängig. Hartes Gesöff wie Schnaps (40 Vol%) erleidet einen nur geringen Verlust von 10 %, während ein man bei Bier teilweise bis zu 30 % als Resorptionsdefizit verloren werden kann. Berücksichtigen wir also zusätzlich ein mittleres Resorptionsdefizit von 15 % sind es immer noch 2.52 ‰.
Mit einem Alkoholspiegel von 2.5 – 3.0 ‰ bewegen wir uns schon im Bereich der schweren Trunkenheit. Gleichgewichtsstörung und Sprechstörungen sind typische Symptome und sind auch bei James gegen Ende des Essens bereits zu beobachten. In der Tat kann er sich noch glücklich schätzen, dass er nicht bereits kotzend in der Ecke liegt. Die Symptome hauen also in etwa hin. Da der Sketch allerdings nur 18 Minuten dauert, von denen wir noch die mündliche Einführung des Moderators abziehen müssen, ist es allerdings zweifelhaft, dass der Alkohol bereits zur Gänze aufgenommen wurde. Nach meiner Recherche wäre etwas im Bereich von 45 min bis 1:00 h realistischer bis der Maximalalkoholspiegel erreicht ist (Grafik 1). Selbst beim sogenannten Sturztrunk, bei dem in extrem kurzer Zeit große Mengen Alkohol getrunken werden und der zu einem verstärkten Anfluten der Alkoholwirkung führt, ist dies vermutlich extrem sportlich. Aber gestehen wir dem Bühnenautor etwas künstlerische Freiheit zu. Ob der Butler aber noch das mit einem Augenzwinkern angedeutete Schäferstündchen vollziehen kann, bleibt fraglich.
Bier = Flüssignahrung ?
Und wenn wir gerade schon einmal dabei sind, hier noch gleich eine weitere Rechenübung zum Thema Alkohol: Ein beliebtes Sprichwort sagt: Drei Bier sind auch ein Schnitzel. In Sachen Alkohol können wir mit Gewissheit sagen: Drei Bier enthalten mehr Alkohol als ein Schnitzel. Aber wie sieht es mit Kalorien aus ? Im Netz finden wir das die Portionsgröße für ein Wiener Schnitzel im Mittel etwa 150 g beträgt.
Sind wir großzügiger und nehmen ein Wiener Schnitzel aus dem berühmt-berüchtigten Restaurant Waldgeist in Hofheim/Taunus in der Größe 1/4 Schwein sind es 250 g. Bei einem mittleren Kaloriengehalt von 242 kcal je 100 g sind dies 363 kcal für das normale und 605 kcal für das große Schnitzel. Hängt natürlich auch etwas davon ab, wie gut man das Schnitzel abtropfen lässt, wenn es in gutem Butterschmalz gebrutzelt wurde. Beim Bier haben wir es relativ einfach, da die notwendigen Werte für alle handelsüblichen Marken bestens katalogisiert sind. Legen wir also (typisch Dresden) ein großes (0.5 L) Feldschlösschen Pilsener als Referenz unserer Berechnung zu Grunde: 40 kcal je 100 mL entsprechen 200 kcal je großem Bier. Davon 3 Stück, ergeben nach Adam Riese 600 kcal. Ergo: Ja, das Sprichwort trifft hinreichend genau zu. Korrekt: 3 Bier sind auch ein großes Schnitzel.
Übrigens, in der Variante „Sieben Bier sind auch ein Schnitzel“ kommen wir auf 1400 kcal für das Bier, was 578 g Schnitzel entspräche.
In der Tat ist Bier nicht das schlimmste, was man in Punkto Kalorien trinken kann: 100 mL Vollmilch (3.5 % Fettanteil) haben z.B. 64 kcal und damit mehr als das doppelte der gleichen Menge Bier. Hochprozentiger Alkohol hat natürlich auch mehr Kalorien als Bier. So enthalten die Getränke, die Butler James konsumiert 1492 kcal (213,1 g Alkohol x 7 kcal/g = 1492 kcal). In reinem Alkohol wohlgemerkt, da natürlich noch Zucker in den Getränken enthalten ist, natürlich effektiv mehr. Die Kalorienzufuhr an Alkohol entspricht also etwa einem McDonalds Menü aus Big Mac, großer Pommes + Cola und einem McSundae zum Nachtisch.
Achten Sie also auf Ihre schlanke Linie und ihre grauen Zellen und lassen Sie es im neuen Jahr langsamer angehen als Butler James ! Die Lömitonne wünscht allen Lesern ein frohes & gesundes neues Jahr !
Disclaimer: Wenn Sie an den Weihnachtsmann glauben und das dieser die Weihnachtsgeschenke bringt, dann könnten Teile dieses Blogbeitrag Sie verunsichern !
Geschenke bringen hier zu Lande der Weihnachtsmann und das Christkind und anderswo andere nicht minder umtriebige Zeitgenossen. Doch sehen wir der harten Tatsache ins Auge: Letztendlich lässt der Weihnachtsmann sich durch Ottonormalverbraucher vertreten und jeder ist daselbst für Akquisition und Distribution von Weihnachtsgeschenken für die Liebsten verantwortlich.
Das Weihnachtsgeschenk im Wandel der Zeiten
Woher kommt eigentlich der Brauch seine Mitmenschen zu Weihnachten zu beschenken ? Der Verdacht liegt nahe, dass dies auf die drei heiligen Könige zurück zuführen ist, wenn auch Myrrhe und Weihrauch als Geschenke etwas aus der Mode gekommen sind. Zumindest das Gold erfreut sich bei den Damen immer noch ungebrochener Beliebtheit. Tatsächlich jedoch haben schon die alten Römer anlässlich der Saturnalien, die ebenfalls im Dezember abgehalten wurden, Geschenke verteilt.
Die Geschichte der drei heiligen Könige oder auch den drei Weisen aus dem Morgenland, die dem König der Könige Geschenke darbringen, kann man aber auch dahingehend interpretieren, dass die hohen Herrscher von ihren Untergebenen beschenkt werden sollen. Und so kam es dann auch bei den frühen Christen. Frei nach dem Motto: „Wer schon hat, dem wird gegeben.“ (Für Chemiker siehe hierzu auch die Regel von Markownikow) Erst inspiriert durch die Legende des guten König Wenzeslaus kehrte sich dieses Verhältnis wieder um. Gemeint ist hier Wenzel von Böhmen, der Mitleid mit einem im harten Winter frierenden Bauern hatte und diesen an den Gaben des Weihnachtsfests teilhaben ließ. Sozusagen also der St. Martin des Weihnachtsfests.
Damit galt also jetzt die neue Devise: Geben ist seliger als Nehmen. Und daher beginnt heutzutage der umsichtige Schenker bereits deutlich vor Weihnachten die Geschenke für seine Lieben zu besorgen, während der wahre Prokrastinator noch am Morgen des 24. Dezember panisch ausschwärmt, um noch ein Last-Minute-Geschenk zu organisieren. So sind zum Beispiel rasch noch an der Tankstelle organisierte Batterien ein sicher nützliches Weihnachtsgeschenk, sofern für andere drahtlose Elektrogeschenke noch die nötigen Batterien fehlen, doch empfiehlt es sich vielleicht auch gleich noch eine Flasche hochprozentiges mitzunehmen, damit der so lieblos Beschenkte seinen Ärger direkt herunter spülen kann.
Wirtschaftliche Erwägungen zum Weihnachtsfest
Allen Bestrebungen zum Konsumverzicht und einer stressfreien Weihnachtszeit zum Trotz, wollen viele dann doch nicht mir leeren Händen am Weihnachtsbaum stehen (nur für den Fall das die Gegenpartei auch ein Geschenk besorgt hat). Je nach Statistik gibt der Deutsche im Durchschnitt 475 €1 für Geschenke aus. Was natürlich auch etwas mit der Größe des Kreises der zu beschenkenden Menschen zusammen hängt. Immerhin 13 % der Geschenkekäufer, wollen oder (gottbewahre) müssen 11 oder mehr Personen beschenken !
Doch woran kalkuliert sich der Preis eines adäquaten Weihnachtsgeschenks ? Als Anhaltspunkt mag hier das englische Weihnachtslied „The twelve Days of Christmas“ dienen, welches davon handelt, welche Geschenke der Sänger von seiner wahren Liebe während der zwölf Weihnachtstage (25. Dezember/Weihnachtstag bis 6. Januar/Dreikönigstag) erhält. Beginnend mit einem Rebhuhn in einem Birnbaum (a Partridge in a pear-tree) am ersten Tag und zwei Turteltauben (two turtle doves) am zweiten Tag, steigert es sich bis zum zwölften Tag hin zu zwölf Trommlern, elf Dudelsackspielern, zehn Moriskentänzern, neun Tänzerinnen, acht Mägden, sieben Schwänen, sechs Gänsen, fünf goldene Ringen, vier Kanarienvögeln, drei französische Hühnern, zwei Turteltauben und einem Rebhuhn in einem Birnbaum (Twelve drummers drumming, Eleven pipers piping, Ten lords a-leaping, Nine ladies dancing, Eight maids a-milking, Seven swans a-swimming, Six geese a-laying, Five gold rings, Four calling birds, Three French hens, Two turtle doves, And a partridge in a pear tree) Diese Auflistung nahm nun die PNC Financial Services Bank in den USA, um daraus jährlich den Christmas Price Index zu berechnen. Legt man also den „Warenkorb“ des 12. Weihnachtstages zu Grunde, kommt man auf folgende Rechnung:
1 x
Partridge in a peartree
$ 210,17
2 x
Turtle Doves
$ 300
3 x
French Hens
$ 181,5
4 x
Calling birds
$ 599,96
5 x
Golden rings
$ 825
6 x
Geese-a-laying
$ 420
7 x
Swans-a-swimming
$ 13125
8 x
Maids-a-miling
$ 58
9 x
Ladies dancing
$ 7552,84
10x
Lords-a-leaping
$ 10000
11x
Pipers piping
$ 2748,87
12x
Drummers drumming
$ 2972,25
Total
$ 38993,59
Wer hätte gedacht das Schwäne so teuer sind ? Ermittelt werden die Preise jedenfalls anhand der Preisauskünfte von Zoohandlungen, Vogelzuchtbetrieben, dem Zoo von Cincinnati, einer Baumschule in New Jersey, sowie einer großen USA-weit operierenden Juwelierkette. Dienstleistungen wie die Tänzerinnen und Moriskentänzer werden bei einer Tanzgruppe in Philadelphia und dem Pennsylvania Ballet abgefragt. Lediglich die Milchmägde kommen relativ preisgünstig, da sie als ungelernte Hilfskräfte nur den US-Mindestlohn erhalten. Nimmt man nun diese Statistik, sieht man, dass die Kosten für Weihnachten seit 1984 um satte 308 % gestiegen sind ! Berücksichtigt man weiter, dass die einzelnen Geschenke sich pro Strophe des Lieds wiederholen, kommt man sogar auf $170298,03. Ein teurer Spaß also, wenn man seine Liebste so beschenken will. Aber dann gilt auch:
Gut gewählt ist halb geschenkt
Die korrekte Auswahl des Geschenks ist natürlich eine Wissenschaft für sich, sofern der Beschenkte nicht vorher eine Wunschliste eingereicht hat und der Schenkende die Auswahl treffen muss. Wir halten also demnach schon mal fest: Wachteln & Birnbäume sind eine schlechte Idee. Oder um es allgemeiner zu formulieren: Alles was gefüttert oder gegossen werden muss. Schon aus Rücksicht auf das im Zweifelsfall vernachlässigte Lebewesen.
Aber es gibt auch noch andere Problemfälle:
Socken und Krawatten… Sofern der beschenkte Mann nicht ein ausgesprochener Enthusiast einer erlesenen Abendgarderobe und die verschenkten Accessoires von Nobelqualität sind, eher ein wenig spannendes Geschenk.
Geschenke, die man auch als versteckte Botschaft aka Wink mit dem Zaunpfahl interpretieren könnte… Ein Stück Seife ? —> Wasch dich, aber schnell ! Ein Gutschein vom Baumarkt ? —> Du könntest die Bude hier auch mal langsam renovieren.
Bleiben wir mal bei den Gutscheinen… Sie sind augenscheinlich erst mal eine gute Lösung. Dann kauft sich der Beschenkte eben selbst was Schönes. Erstes Problem: Oben genannter Baumarkt-Gutschein in Händen eines Heimwerkermuffels ? Keine Gute Idee. Also entweder genau auswählen oder aber einen Gutschein eines Geschäfts mit großer Auswahl. Problem 2: Man offenbart natürlich nicht nur, dass man keine gute Idee gehabt habt, sondern auch wieviel einem das Geschenk wert war.
Alkohol… Ich bin Sohn eines Arztes, also kenne ich das Problem gut: Gerne verschenken die Leute „einen guten Tropfen“ zu Weihnachten. Auch an den Arzt ihres Vertrauens, aus Dank für die gute Behandlung. Oder an den Briefträger, auf das er immer pünktlich die Post durch Wind und Wetter schleppe. Leider kommt es bei solchen Geschenken jedoch zu selten vor, dass hier erlesene Weine verschenkt werden (die hätte mein Vater wohl gerne angenommen), sondern Weinbrand (Ansbach Uralt), Metaxa, Albanischen Rotwein (edelsüß, Kopfschmerz garantiert), Mümmelmann-Jagdbitter… Und dieses Zeug sammelt sich dann in irgendeiner düsteren Ecke des Kellers, sofern man nicht ein paar trinkfeste Skatbrüder hat, die über robuste Lebern verfügen und geschmacklich anspruchslos sind. Die Cognacbohne oder andere Schnapspralinen können auch ins Auge gehen… So soll es durchaus schon mal Pralinenschachteln gegeben haben, die schon mehrfach den Besitzer gewechselt haben, weil sie niemand essen wollte.
Novelty Items aus dem Versandhaus im Allgemeinen und Küchentools im Speziellen… Es gibt Versandhäuser die verkaufen Gadgets für Probleme, die in dieser Form keiner hat. Ein raffinierter Eieröffner, ein Schlüsselanhänger mit akustischer Fernortung, eine Drehbank zum Apfelschälen… Zu Beginn enthusiastisch genutzt, dann in den tiefen des Schranks begraben.
Dinge die im Übermaß praktisch sind. Einen Duden sollte man im Haus haben. Einen Drehmomentschlüssel, um am Ende der Wintersaison die Reifen zu wechseln. Eine Palette 80 g/cm3 Kopierpapier. Praktisch ja, doch sollte man sich hier nicht über das Ausbleiben von Begeisterungsstürmen wunden.
Der Weg aus der Bredouille
Tja, was nun ? Was fängt man mit den Geschenk-Flops an ?
Umtauschen Ehrlich währt am längsten. Das Geschenk sagt nicht zu ? Artig bedanken, denn der Geschenkgeber hat sich ja Mühe gegeben und schließlich ist es ja auch der Gedanke der zählt. Mit etwas Glück existiert noch der Kassen-Bon, dann kann man das Geschenk umtauschen und im besten Fall gemeinsam etwas Neues aussuchen.
Weiterverschenken Sollte das Geschenk nur nicht den eigenen Geschmack getroffen haben, kann es ja trotzdem noch jemand anderen freuen. Sofern das Geschenk nicht im Allgemeinen ein absoluter Fehlgriff war, dass man auch niemand anderem zumuten will. Ferner ist dies, genau wie die Option „diskret entsorgen“, dem ursprünglichen Schenker nicht gerade nett gegenüber. Ausserdem bleibt zu befürchten, dass gerade in einem eng verwobenen Freundeskreis mit Hang zum Wichteln, dass das Geschenk wieder beim ursprünglichen Käufer landet.
Tauschen Vielleicht ist ja einer der anderen Anwesenden mit seinem Geschenk auch nicht zufrieden ? Vielleicht bietet es sich ja ein Tausch an ? Was dem Einen Trödel ist, ist dem Anderen ein Schatz ! Besonders beim Wichteln ist dies eine beliebte Option. Mittlerweile gibt es aber auch schon großangelegte Tauschbasare als nachweihnachtliches Happening in manchen Städten.
Caveat! In der Falle steckt man jedoch, wenn man ein Geschenk erhält, in welches der Schenker viel Mühe gesteckt hat und/oder große Erwartungen steckt. So hat z.B. der nicht sonderlich begabte, allerdings um so passioniertere Hobbykünstler in der Familie ein Meisterwerk geschaffen, dass selbst Omas halb-blinden Dackel die Tränen in die Augen treibt. Und nun hat er dieses grandiose Meisterwerk seinen Eltern vermacht, weil dieses Kunstwerk(!) sich prächtig über dem Sofa machen würde. Leider kann man dieses Geschenk nicht loswerden, ohne den Schenker vor den Kopf zu stoßen. Es bleibt lediglich die Option den Gegenstand des Anstoßes im Keller in Quarantäne zu nehmen und nur hervor zu holen, wenn der Schenker zu besuch kommt. Gilt gleichermaßen für hochgradig individualisierte Geschenke.
In diesem Sinne möchte ich allen Lesern ein frohes und zufriedenes Weihnachtsfest und einen fleißigen Weihnachtsmann wünschen !
Kommen wir mal wieder zur Chemie. Und zwar einem Aspekt der Chemie ohne den unser Alltag um einiges trister und im wörtlichen Sinn grau wäre: Farben !
Von den Buntstiften unseres Nachwuchses, über den Lack auf unserem Auto, der der Bemalung der Porzellantasse aus der wir jeden Morgen unseren Kaffee schlürfen, bis hin zu Farbstoff im Essen (weniger schön, wenn dieser synthetisch und künstlich zugesetzt ist). „Doch Halt !“, mag das da Mancher argumentieren, „Sind nicht auch die Blumen auf der Wiese oder z.B. die Flügel des Schmetterlings schön bunt und farbenfroh?“. „Völlig richtig“, antwortet da der Chemiker, „aber wir wollen auch nicht vergessen, dass Mutter Natur eine sehr begabte Chemikerin ist !“.
Warum ist Farbe bunt ?
Alle Farbe steckt im Licht. Klingt erst einmal ziemlich esoterisch, aber im Dunkeln ist bestenfalls gut munkeln, aber ohne Licht sieht man nun mal nichts. Guckt man sich das Sonnenlicht an einem klaren Sommertag an, dann erscheint es farblos. Betrachtet man es jedoch durch ein Prisma, dann sieht man, dass das weiße Licht aus mehreren farbigen Komponenten zusammen gesetzt ist oder präziser ausgedrückt: das weiße Licht (polychromatisch = vielfarbig) ist eine Überlagerung von Licht mehrerer Wellenlängen. Licht einer einzigen Wellenlänge (monochromatisch), wie z.B. 450 nm ist zum Beispiel blau-violett, während solches mit der Wellenlänge 600 nm rot-orange ist.
Kommen wir nun zu den Farbstoffen. Wir können einen Gegenstand sehen, wenn Licht auf ihn fällt und er dieses zu uns reflektiert. Werden alle Wellenlängen reflektiert, erscheint der Gegenstand weiß. Absorbiert der Gegenstand jedoch bestimmte Wellenlängen, d.h. entfernt er diese aus dem reflektierten Licht, nehmen wir ihn als farbig wahr. Fällt das Licht z.B. auf einen roten Apfel, schluckt dieser die blauen und grünen Anteile und wir sehen die Farbe Rot, also die Komplementärfarbe zu Blau-Grün. In der Regel ist dieses rote Licht aber trotzdem nicht monochromatisch, sondern enthält immer noch eine Kombination zahlreicher Wellenlängen, erscheint uns aber aufgrund des Nichtvorhandenseins der Komplementärfarben trotzdem rot. Man spricht hier auch von subtraktiver Farbmischung, weil bestimmte Farben aus dem Licht abgezogen, sprich subtrahiert werden.
Jetzt wird’s physikalisch
Damit ein Stoff Licht absorbieren kann, benötigt er einen Chromophor (griechisch χρῶμα chrṓma ,Farbe‘, φορός phorós ‚tragend‘). Dies ist ein strukturelles Element mit delokalisierbaren pi-Elektronen, oder einfacher ausgedrückt mit „beweglichen“ Elektronen, die man durch Zuführung von Energie aus ihrem Grundzustand in ein energetisch angeregten Zustand heben kann. Je größer die Lücke zwischen diesen Zuständen ist, die überbrückt werden muss, desto mehr Energie in Form von Licht ist notwendig. Am energiereichsten ist blaues Licht (kurze Wellenlänge), während rotes Licht (große Wellenlänge) am anderen Ende der Energieskala liegt. Dabei wird immer nur die Wellenlänge absorbiert, deren Energie der Lücke zwischen den Zuständen des Chromophors entspricht. Ergo: Der Farbstoff absorbiert nur ganz bestimmte Wellenlängen aus dem polychromatischen Licht und es entsteht ein ganz bestimmter Farbeindruck. Besonders ausgedehnt ist der Chromophor im Graphit, welches eine Blätterteig-artige Struktur aus mehreren Lagen eines aus Benzolringen aufgebauten Wabenmusters ist. Hier sind die Elektronen besonders stark delokalisiert, weswegen ein sehr breites Spektrum an Wellenlängen absorbiert wird. Graphit ist deswegen schwarz.
Natürlich behält das angeregte Elektron nicht die Energie, sondern gibt diese nach kurzer Zeit wieder ab (ansonsten wäre die Fähigkeit zur Absorption irgendwann erschöpft und unser Farbstoff irgendwann nicht mehr farbig). Die Energie wird in den meisten Fällen in Wärme umgewandelt, kann bei besonderen Farbstoffen aber auch auf anderen Wegen, z.B. durch Aussenden von farbigem Licht wieder abgegeben werden. Dies kennen wir z.B. von Banknoten, die wenn wir sie mit UV-Licht bestrahlen fluoreszieren oder von den beliebten Leuchtsternen, die, einmal mit Licht „aufgeladen“ gelb-grün an der Kinderzimmerdecke leuchten (Phosphoreszenz).
Tintenblau und weißer Killer
Bleiben wir bei organischen Farbstoffen und dort bei einem besonders bekannten Beispiel: der blauen Tinte aus dem Füllfederhalter, die vermutlich jeder einmal beim Schreibenlernen in der Grundschule benutzt hat (bevor man später zu Kuli und/oder Finelinerstiften umgestiegen ist). Hier kommt z.B. der Farbstoff Wasserblau zum Einsatz, der nicht nur schön blau und relativ ungiftig ist, sondern auch wasserlöslich.
Sehr zur Freude vieler Grundschüler besitzen nun dieser Triphenylmethan-Farbstoff den Vorzug, dass man ihn mit einem Tintenkiller bearbeiten kann, wodurch das Geschriebene unsichtbar wird. Hässliche Tintenkleckse und Schreibfehler können so diskret kaschiert werden.
Diese bereits im Kaiserreich unter dem Namen Radierwasser auf den Markt gekommenen Präparate funktionieren dadurch, dass an das zentrale Kohlenstoffatom eine OH-Gruppe oder eine Sulfitgruppe angelagert wird, wodurch die für den Chromophor notwendige Kette von Doppelbindungen unterbrochen wird und der Farbstoff farblos wird.
Doch Obacht ! Das Geschriebene verschwindet nicht, sondern wird nur unsichtbar ! So lässt sich das vermeintlich Gelöschte durch Salzsäure- oder Essigdampf, sprich durch Einwirkung einer Säure wieder zum Vorschein bringen, indem der ursprüngliche Farbstoff regeneriert wird. Auch ein jahrelanges Liegen an Luft kann durch Oxidation die Schrift zumindest teilweise wieder sichtbar machen.
Dies geht natürlich nicht nur mit blauer Tinte: Prinzipiell geht dies auch mit anderen geeigneten Triphenylmethan-Farbstoffen. Ein Beispiel, dass ich aus eigener Anschauung aus meiner Kindheit her kenne sind die Malmäuse und der Löschkater:
Elf farbige Filzstiftmäuse, die von ihrem Antagonisten dem weißen Löschkater getilgt werden. Leider betrachtete meine Mutter die enthaltenen Chemikalien mit einer gehörigen Portion Argwohn, weswegen der Löschkater, der faszinierendste Teil des Sets, leider unter Verschluss blieb.
Geheime Botschaften
Hier sind wir dann auch nicht mehr weit von Geheimtinten entfernt, also Tinten, die im getrockneten Zustand farblos sind und erst durch Behandlung mit einem Reagenz wieder sichtbar werden. Nimmt man zum Beispiel die farblose Form des pH-Indikators Phenolphthalein zum Schreiben und bedampft das Schriftstück später mit Ammoniak, tritt die Schrift violett hervor. Alternativ kann man auch seine Nachricht mit einer schwachen Säure auf Papier schreiben. Erwärmt man den Brief dann später, beginnt das Papier sich an der beschrifteten Stelle zu zersetzen und färbt sich braun. Ein beliebter Versuch für Kinder benutzt hierfür z.B. Zitronensaft und ein Bügeleisen.
Da sich solche Tinten ausgezeichnet für den diskreten Versand von pikanten Liebesbriefen eignen, bürgerte sich auch der Begriff „sympathetische Tinte“ (von griech. Sympatheia „Zuneigung“) ein. Der römische Dichter Ovid empfahl hierfür auch die Benutzung von Milch, die sich durch Bestäuben mit Ruß wieder sichtbar machen lassen sollte. Einen ähnlichen Verwendungszweck hatten sogenannte Damentinten: Hier war die Nachricht zunächst offen lesbar, verblasste aber mit der Zeit durch offenen Zutritt von Luft. Also ideal um dem Liebhaber zu schreiben, ohne für den Vormund oder den gehörnte Ehemann später verfängliche Schriftstücke zu hinterlassen. Also eine frühe Form des heute benutzten Snapchats.
Bunte Tinte ? Nicht für Jedermann !
Warum sich bei der Tinte letztendlich der Farbton Blau durchgesetzt hat, ist durch einfache Google-Recherche nicht ganz zu klären, wenn auch sich diverse Hinweise finden lassen. Erst einmal: Früher war Tinte eher braun bis schwarz. Synthetische Farbstoffe kamen erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf und begründeten den Aufstieg der chemischen Industrie. Davor beinhalteten Tintenrezepturen schwarzen Ruß und/oder ein Gemisch aus Eisen(II)sulfat und den Saft von Galläpfeln. Zunächst war eine solche Eisengallustinte eher von schwacher Farbe, aber sobald das Eisen vom Luftsauerstoff in die Oxidationsstufe III oxidiert wurde, bildete sich mit der Gallussäure aus den Galläpfeln ein schwarzer, unlöslicher und damit dokumentenechter Farbstoff. Nachteil: Bekleckerte Textilien lassen sich nur schwer reinigen und das saure Eisensalz zersetzt über längere Zeiträume das Papier. Um der Tinte aber etwas mehr Farbkraft zu verleihen, bevor sie völlig oxidiert ist, setzte man der Tinte später den synthetischen Farbstoff Methylenblau zu. Der Eisenanteil hat sich dann im alltäglichen Gebrauch verloren, die blaue Farbe ist geblieben.
Wenn ich mich an meine Schulzeit erinnere, war die Benutzung von blauer Tinte bei Klassenarbeiten streng vorgeschrieben. Eben um eine zweifelsfreie Unterscheidung von der Korrektur des Lehrers mit roter Tinte zu gewährleisten. Grün war wiederum nur dem Schuldirektor vorbehalten.
Vorbild ist hier wohl die Vorschrift zu Aktenvermerken in Bundesministerien1: Grün bleibt dem Minister vorbehalten, Parlamentarische Staatssekretäre benutzen violett, Staatssekretäre nehmen den Rotstift, Abteilungsleiter blau und deren Unterabteilungsleiter benutzen den Braunstift, wenn sie am Seitenrand einen Vermerk anbringen. Ordnung muss schließlich sein.
Ein weiterer Vorteil von blauer Tinte gegenüber schwarzer, der aber erst in modernen Zeiten zum Tragen kam: Durch die Farbe der Tinte kann man das Original leicht von schwarz-weißen Fotokopien unterscheiden. Wobei dieser Vorteil durch das Aufkommen von preisgünstigen Farbdruckern sicherlich auch mittlerweile überholt ist.
Nachzulesen in Anlage 2 zu §13 Abs. 2 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) ↩
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